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Der Lesch-Faktor

Der Schweizer Verleger Christoph Pfluger plädiert für eine neue Maßeinheit zur Bestimmung der Volksverdummung.

Die kritischen Stimmen zur Corona-Pandemie und der Gegenmaßnahmen entwickeln sich offenbar zu einem Problem, obwohl sich die Bevölkerung Europas noch weitgehend an das Social Distancing und das Versammlungs- und Gruppierungsverbot hält. Aber: Abweichende Meinungen sind nicht nur eine Gefahr für faschistische und kommunistische Diktaturen, sondern auch für kapitalistische Demokratien.

Da liegt es nahe, einen populären, mediengewandten Wissenschaftler vor die Kameras zu schicken, der dem Volk erklärt, was Sache ist. „Das ist alles übertrieben“, zitiert Lesch zu Beginn seiner Sendung die Kritiker und verspricht, „den Zahlen mal tatsächlich auf den Grund“ zu gehen.

In Italien sterben durchschnittlich 2000 Menschen pro Tag, beginnt Lesch sein Argument (2:15). Aber am 18. März seien es 475 Tote mehr gewesen. Hier macht Lesch den ersten Fehler. Er kann nämlich gar nicht wissen, wieviele Tote es am 18. März in Italien gegeben hat, weil eine tägliche Statistik gar nicht verfügbar ist. (Hier steht, wie in Italien die Todesfallstatistiken erhoben werden, vom Arzt über die Gemeindebehörden bis zum Istituto Nazionale di Statistica.)

Ein paar Sekunden später folgt schon der zweite Fehler: Er behauptet, an diesem Tag hätte es „eine Steigerung von deutlich mehr als 20 Prozent“ gegeben und das sei doch auffallend. Der Vergleich momentaner Werte mit Durchschnittszahlen und die Ableitung alarmierender Botschaften ist irreführen, wie folgendes Beispiel zeigt.

Die jährliche Niederschlagsmenge in der Schweiz beträgt 1.500 mm, also 4,1 mm pro Tag. Selbst wenn es an einem Tag das Fünffache regnet, also 20 mm/m2, gilt das noch nicht einmal als „kräftiger Regen“. Der liegt zwischen 30 und 50 mm/m2 in 24 Stunden. Regenwarnungen gibt es erst ab dem Zwanzigfachen der durchschnittlichen Tagesmenge, also bei 80 mm/m2.

Zugegeben: Das ist ein Äpfel-und-Birnen-Vergleich. Aber es geht um das Prinzip: Der Vergleich eines momentanen Einzelwerts mit einem Jahresdurchschnitt ergibt einfach keine plausiblen Ergebnisse.

Bei 3:35 folgt Leschs Kabinettstück: Er setzt die angebliche Verharmlosung der Sterbezahlen mit der Verharmlosung von Amokläufern gleich, die die Sterbestatistik ja auch nicht wesentlich in die Höhe treiben. Damit unterstellt er den Kritikern der statistischen Interpretationen durch die Behörden ganz subtil kriminelle Absichten. Gut gemacht! Gehört in die Lehrbücher für Spin-Doktoren.

Die Überlastung in den Spitälern führe zu der absolut unzumutbaren Situation, sagt Lesch bei 3:55, dass Ärzte triagieren müssten wie im Krieg. Das ist in der Tat eine schwer erträgliche Situation. Nur: Das kapitalistische Gesundheitssystem triagiert dauernd, indem Millionen von Menschen in der Dritten Welt an Krankheiten sterben, die mit günstigen Medikamenten behandelt werden könnten. Darüber sollte Herr Lesch sich zuerst aufregen.

Er könnte sich aber auch darüber aufregen, dass in deutschen Spitälern bereits jetzt vorbeugend triagiert wird, um Betten für Corona-Patienten frei zu halten. Die Verschiebung von Behandlungen wird ihrerseits zu Todesfällen führen, über die allerdings keine Statistiken geführt werden.

Wenn es in Italien zur Notwendigkeit einer Triage käme, wäre es das Ende der Zivilgesellschaft, sagt Lesch. Wenn wir das zum Nennwert nehmen, sind wir bereits am Ende der Zivilgesellschaft: Wir betreiben seit Jahren eine Triage, die Millionen von Menschen in der Dritten Welt in tödliches Elend stürzt, und wir merken es nicht einmal. Zumindest Herr Lesch scheint es nicht zu merken.

Reichen die Intensivbetten in Deutschland zur Beatmung der erwarteten Corona-Patienten? Ab 5:30 versucht Lesch diese Frage zu beantworten und jongliert, um zur gewünschten Antwort zu kommen – nämlich „Notstand!“ – in verwegener Weise mit den Zahlen.

Von den 28.000 Intensivbetten in Deutschland kann die Hälfte für die Behandlung von Corona-Patienten zur Verfügung gestellt werden. Bei einer Behandlungsdauer von einer Woche können also täglich 2.000 neue Intensivpatienten aufgenommen werden. So weit, so richtig.

Aber dann greift Lesch auf eine Zahl zurück, für die er weder eine Quelle nennt und für die es nach aktueller Recherche auch keinen Beleg gibt: Er behauptet, 5 Prozent der Infizierten seien „beatmungspflichtig“ (6:20). Die Zahl scheint aus der Luft gegriffen.

Ich habe beim bayrischen Rundfunk nach einer Quelle gefragt. Bis zum Eintreffen einer Antwort halte ich mich an die Studie, die am 28. Februar auf der Website des prominenten New England Journal of Medicine publiziert wurde und Behandlungsdaten von Covid-19 positiven Patienten aus 552 chinesischen Spitälern auswertet. In die Studie aufgenommen wurden nur behandlungsbedürftige Patienten. Der Anteil der Infizierten mit Symptomen, die nicht zu einer Hospitalisation führten, wird in der Studie nicht genannt.

Ergebnis: Von den Hospitalisierten landeten 5 Prozent auf der Intensivstation, 2,3 Prozent brauchten ein Beatmungsgerät. Selbst wenn man zur Ehrenrettung von Herrn Lesch annimmt, dass sämtliche Infizierten auch hospitalisiert wurden, liegt der maximale Bedarf an Beatmungsgeräten bei 2,3 Prozent und nicht bei 5. Lesch liegt um einen Faktor 2,2 daneben — mindestens! – und unter Berücksichtigung sämtlicher mildernden Umstände.

Aber es kommt noch dicker. Lesch will ja zeigen, dass die Intensivkapazität in Deutschland aufgrund der steigenden Infektionsraten bald an ihre Grenzen stösst und deshalb die Massnahmen wissenschaftlich gerechtfertigt sind.

Zu diesem Zweck zieht er den Zuwachs der Infektionen in den Tagen vor Aufzeichnung der Sendung (19.3.20) heran und prognostiziert für den 27. März 40.000 Neuinfizierte, von denen angeblich 5 Prozent ein Intensivbett mit Beatmungsgerät brauchen.

Die Zahlen des 27. März wurden heute (28.3.20) vom Robert Koch-Institut publiziert. Und was sagen sie (werden laufend aktualisiert)? 6.294 Neuinfizierte seit dem Vortag. Abweichung gegenüber Leschs Prognose: Faktor 6,4.

Bild

Zählt man den Fehler bei der Berechnung der „Beatmungspflichtigen“ von mindestens 2,2 mit der Abweichung der Prognose von 6,4 zusammen, kommt man auf einen Lesch-Faktor von 14.

Um eine gigantische Bedrohung herbeizurechnen, betreibt Lesch also eine verwegene Zahlenakrobatik mit einer ganzen Serie von Fehlern.

In der Schweiz könnte der Mann aufgrund von Artikel 258 des Strafgesetzbuches verurteilt werden. Dort heisst es: „Wer die Bevölkerung durch Androhen oder Vorspiegeln einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum in Schrecken versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“ Im Bayern des Corona-Turbos Markus Söder kommt er nicht nur ungeschoren davon, sondern wird auch noch gut bezahlt .

Ich halte nicht viel von Bestrafung. Besser wäre es, Harald Lesch würde sich an die behördlichen Massnahmen halten, in Quarantäne gehen und sich selber prüfen. Vielleicht möchte er ja auch seine alten Schulbücher wieder hervornehmen…

Den allerletzten Tipp aus Harald Leschs Videoküche kann man sich trotz allem beherzigen: „Man sollte Fake-News nicht unkommentiert lassen!“ Was ich hiermit getan habe.


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Dieser Beitrag erschien zuerst im Rubikon-Magazin.
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