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Der Staatsstreich

Der forcierte Frontalangriff auf das Grundgesetz darf nicht folgenlos bleiben — holen wir uns unsere Demokratie zurück!

Wie im Rausch taumeln Bundes- und Länderregierungen derzeit von einer drakonischen Maßnahme zur nächsten. Fast im Gleichschritt marschieren sie über Zwangsquarantäne, Kita- und Schulschließungen, Lahmlegung des gesamten kulturellen Lebens, Ausgangseinschränkungen – wie zum Beispiel die bayrische Ausgangssperre – bis zur Möglichkeit, medizinisches Personal zwangsweise zu rekrutieren. „Fake News“ zur Corona-Krise sollen mit Strafgeldern belegt werden, das Narrativ muss unbedingt kontrolliert werden. Wie in Dänemark (1) dürften auch in Deutschland Zwangsimpfungen kurzfristig Gesetz werden. All dies fußt vermutlich illegal auf dem Infektionsschutzgesetz.
Am Freitag soll der Sack nun endgültig zugemacht, die juristisch fragwürdige Lage beseitigt und Änderungen des Infektionsschutzgesetzes durchgeführt werden, so dass mit dem Ausruf einer epidemischen Krise Notstandsrecht in Kraft tritt. Jens Spahn würde damit gleichsam zum Bundesgesundheitsgeneral aufsteigen, mit weitreichendsten Befugnissen ausgestattet, letztlich gekrönt von einem willfährigen Bundestag.
Das Schöne: Spahn soll im Krisenfall für alle Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes Ausnahmen festlegen können und Regelungen anderer Gesetze, zum Beispiel Zulassungsvoraussetzungen für Arzneimittel, abändern können, ohne parlamentarische Interventionsmöglichkeit. Will sagen: Spahn soll gegebenenfalls per Dekret regieren können. Der Krisenfall kann – wie der Gesetzesentwurf äußerst weitgehend formuliert – bereits dann ausgerufen werden, wenn „die dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen, übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht“ – ist das womöglich auch die jährliche Grippewelle?
Wie schon so oft beobachtet bei Ergüssen heutiger Regelungswut strotzt auch dieser Gesetzentwurf von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen. Es sind sprachliche Hintertürchen, durch die – unter dem Deckmantel der Gesundheitsrelevanz – nun in alle möglichen Lebensbereiche vorgedrungen werden kann.
Wohin das führt zeigt zum Beispiel die jüngste Initiative in Baden-Württemberg. Dort übermitteln die Gesundheitsämter die Daten von corona-positiv Getesteten an die Polizei mit der Begründung, dass diese sich ja bei Kontakt mit diesen Personen vor Gesundheitsrisiken schützen müssten (2).
Wo soll das enden? Müssen die Infizierten der Polizei dann alsbald auch noch Einblick in ihre Vermögenslage gewähren, damit sie abschätzen kann, ob ein Infizierter über die Mittel verfügt, sich ins Ausland abzusetzen? Oder wird Spahn nun das gesundheitliche Gemeinwohl bemühen, um unser Bargeld abzuschaffen? Der Phantasie, jede rechtliche Frage mit einem gesundheitspolitischen Spin zu versehen, sind keine Grenzen gesetzt.
Interpretationsbedürftige Gesetze sind, wie Ingeborg Maus, eine der bedeutendsten Rechtstheoretikerinnen unserer Zeit, herausgearbeitet hat, brandgefährliche Einfallstore für willkürliches Handeln der Exekutive, aber auch für politisch oder weltanschaulich motivierte Rechtsprechung. Im Nationalsozialismus wurde die Justiz allein über den Einschub von Generalklauseln sowie deren Ausfüllung im Sinne der neuen nationalsozialistischen „Werteordnung“ durch die Richter gleichgeschaltet. Die nun „ohne die Krücken des Gesetzes“ im Sinne ihrer „lebendigen Verfassung“ entscheidenden Richter schossen in vorauseilendem Gehorsam dann sogar noch weit über das Ziel hinaus und erwiesen sich als die schärfsten Hunde dieser „neuen Werteordnung“.
Die Corona-Krise ist eine gute Gelegenheit, Gesetze, die der Bevölkerung unter normalen Umständen nur schwer untergejubelt werden können, als Gefahrenabwehr schmackhaft zu machen. Nicht umsonst ist im Zug der krisenhaften Entwicklung auch in Mecklenburg-Vorpommern die Verschärfung des Polizeirechts nach bayrischer Manier – Verhaftung von „Gefährdern“ ohne richterlichen Haftbefehl wegen „Terrorgefahr“ et cetera – durchgewunken worden.
Langsam erwachen die solchermaßen beglückten Menschen nun aber aus ihrer Schockstarre. Wie das sprichwörtliche Kaninchen hypnotisiert in die Augen der Schlage, haben sie die letzten Monate gebannt nach China, nach Italien, auf Herrn Dorsten, auf die Kanzlerin gestarrt. In die schockgefrosteten Ohren sind jetzt jedoch mahnende Stimmen gedrungen von einer Vielzahl unabhängiger und kritischer Experten, die partout nicht in das Horn der Corona-Alarmisten und/oder der „Der Lockdown ist alternativlos-Fraktion“ stoßen wollen. Zudem hat sich ein ganz unangenehm kribbelndes Gefühl breitgemacht, so eine Ahnung von, eine Angst vor, man weiß es nicht genau, so ein Déjà-vu. Kann das denn wirklich sein, dass da zurückkommt, was man mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahr 1949 zumindest formal für dahin entschwunden wähnte, wo es hingehört? Totalitarismus, diesmal hinter der Maske eines sich mit besorgter Miene dem Kranken zuwendenden Arztes?
Verwundert sind viele schon seit längerem. Die Grippe hat in der Saison 2017/2018 ca. 25.000 Menschen in Deutschland das Leben gekostet, ohne dass es irgendwo Erwähnung gefunden hätte. Keine einzige Kita wurde deswegen geschlossen, kein einziges Fußballspiel abgesagt. Und nun wegen inzwischen ca. 200 corona-positiv-getesteten Verstorbenen – konkrete Todesursache laut Robert Koch-Institut (RKI) egal (3), Vorerkrankungen bleiben unberücksichtigt – und völlig unzureichender Datenlage bezüglich der tatsächlichen Virulenz des Erregers nichts als Panik, ein ökonomisch und sozial hochriskanter Lockdown, tiefste Einschnitte in die Bürger- und Freiheitsrechte. Und nun droht auch noch die Außerkraftsetzung des Grundgesetzes!
Die, die unter der Geltungshoheit des Grundgesetzes leben, haben ein ganz besonderes Verhältnis zu demselben. Es ist insofern – fast weltweit – einzigartig, als in seinem Zentrum die Würde des Menschen steht. Artikel 1 Absatz Satz 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ In dieser Würde wurzeln die Grundrechte. Andere Verfassungen haben das Gemeinwohl zu ihrem Zentrum erkoren. Mit dem Gemeinwohlargument lässt sich vieles rechtfertigen. Die Menschenwürde ist eine Grenze, die nicht ungestraft überschritten werden darf. Das Grundgesetz ist aus den Trümmern Nachkriegsdeutschlands erwachsen aus dem festen Wunsch, allen totalitären, die Würde des Menschen mit Füssen tretenden Bestrebungen Einhalt zu gebieten. Es ist die geballte Faust, die die Bürger dem Griff ihrer Volksvertreter nach immer mehr Macht entgegenstrecken: Artikel 20 Absatz II Satz 1 GG: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Nicht umsonst war die Notstandsgesetzgebung im studentenbewegten Jahr 1968 nur gegen Einführung des Widerstandsrechts des Artikels 20 IV GG zu erreichen: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Ihr heiliges Blechle, das Grundgesetz, werden sich die Deutschen nicht ohne Widerstand nehmen lassen.
Wie heute ruchbar geworden ist, hat die Regierung keine Evaluation der Folgen des Lockdowns durchgeführt und beabsichtigt auch nicht, eine Analyse der durch den Lockdown eingetretenen Schäden zu beauftragen (4). Damit ist überdeutlich, dass die Regierung, der die Wahlbürger ihr Machtmonopol aus Artikel 20 III GG vorübergehend und zu treuen Händen übertragen haben, diese Machtposition nicht im Sinne der Bürger ausfüllt.
Die sorglose Eigenmacht, mit der die Regierung hier eine ganze Nation lahmgelegt und traumarisiert hat, ohne dass sie zumindest ihre Schulaufgaben gemacht hätte, eine sichere Datenbasis für die Feststellung einer gesundheitlichen Notlage zu schaffen und zugleich – vor Implementierung des Lockdowns – eine seriöse Folgenabschätzung aufzusetzen, kann ihr noch übel auf die Füße fallen. Juristisch ahndbar wird sie in jedem Fall sein.
Die Empörung ist groß. Fast zeitgleich sind nun zwei wichtige Petitionen gestartet.
Helene und Dr. Ansgar Klein fordern die sofortige Aufhebung aller in der Corona-Krise verfügten Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten.
Hier zeichnen: https://www.openpetition.de/petition/online/sofortige-aufhebung-aller-in-der-corona-krise-verfuegten-einschraenkungen-buergerlicher-freiheiten
Die Berliner Rechtsanwältin Viviane Fischer verlangt die Durchführung einer Baseline-Studie, damit auf der Basis sauberer Corona-Daten die Notwendigkeit eines – weiteren – Lockdowns überprüft werden kann.
Hier zeichnen: https://www.openpetition.de/petition/online/fuehren-sie-die-baseline-studie-durch-wir-brauchen-endlich-saubere-corona-daten
Die Daten-Analystin und Rubikon-Autorin Yvonne Egey hat einen Musterbrief an die Mitglieder des Bundestages verfasst, der hier für den eigenen Protest verwandt werden kann (5).
Zwei Klägerinnen in München wird im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz bestätigt, dass auf sie die Ausgangssperre keine Anwendung findet (6).
In der Süddeutschen Zeitung äußert der Staatsrechtler Florain Meinelschwere verfassungsrechtliche Bedenken, der Gesetzentwurf zerstöre die grundgesetzlich vorgesehene Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern und enthalte für den Gesundheitsminister eine unheilvolle Blankettermächtigung (7).
Im vergleichbar gebeutelten Österreich wendet sich das „Unabhängige Personenkomitee für die Aufhebung der Corona-Zwangsmaßnahmen“ mit einem Protestbrief an die Öffentlichkeit (8).

Es bleibt abzuwarten, ob sich die sorglose Eigenmacht, mit der die Regierung unsere Grundrechte mit Füssen tritt, sich nicht noch als ihr Corona-Gate erweisen wird.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://nordschleswiger.dk/de/daenemark-politik-gesellschaft/coronavirus-behoerden-erhalten-weitreichende-befugnisse
(2) https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/polizei-corona-daten-100.html
(3) https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/faktenfuchs-wie-werden-corona-todesfaelle-gezaehlt,RtnpYVL
(4) https://taz.de/Massnahmen-gegen-Coronavirus/!5674203
(5) http://www.vgh.bayern.de/media/muenchen/presse/pm_2020-03-24.pdf
(6) https://www.rubikon.news/artikel/griff-nach-der-totalen-macht
(7) https://www.sueddeutsche.de/politik/spahn-infektionsschutz-1.4855511?fbclid=IwAR2kYZdAdNBYRM0sSsLjtFSQe4Qr3RH53JEZMckhoC7escxvFCKeoOJUA2I
(8) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20200325_OTS0110/offener-protest-brief-an-politik-und-medien-aufruf-zur-aufhebung-der-corona-zwangsmassnahmen-anhang

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Dieser Beitrag erschien zuerst im Rubikon-Magazin.

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