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Schwedische Kriegsvorbereitungen trotz aufgeflogener U-Boot-Lüge

Schweden bereitet sich auf einen Krieg gegen Russland vor und rüstet massiv auf. Obwohl sich die angeblichen russischen U-Boote vor Stockholm längst als Lüge herausgestellt haben. Eigentlich war es schon vorher klar, dass hier wieder einmal von Militärs und Hardlinern wie seit den 80er Jahren russische U-Boote vor Schwedens Küsten vorgetäuscht wurden. Aber spätestens dann als die schwedische Regierung öffentlich zugeben musste, dass die angeblichen Russen-U-Boote nie existiert haben, sollte eigentlich jedem klar gewesen sein, dass es sich um ein Täuschungsmanöver zur Herstellung von Kriegsbereitschaft sowie zum Anschluss an die NATO handelt. 

Die Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI) schreibt im November 2019 in dem Artikel „Värnkraft 2021-2025. Die Neuausrichtung des schwedischen Militärs“ unter anderem Folgendes:

„Während ein bewaffneter Angriff auf Schweden 2004 noch als unwahrscheinlich galt, ist dies nicht länger die Sichtweise der Verteidigungskommission (Värnkraft 2019: 148). Im Gegenteil: In dem aktuellen Bericht wird die Verteidigung des Landes vor einem bewaffneten Angriff als wichtigste Zielsetzung beschrieben (ebd.: 149). Als Hauptgrund für den bevorstehenden massiven Ausbau des Sicherheitssektors wird Russland als Antagonist Europas herangezogen (ebd.).

Infolge der schweren Konflikte in der Ukraine 2014 kritisierte der schwedische Verteidigungsausschuss in einem Bericht, dass Russland „mit wachsender Ambition, versucht sich als Großmacht zu etablieren“, indem es versuchen würde, das ehemalige Gebiet der UdSSR weitmöglichst zu kontrollieren (ebd.: 69). In dem 355 Seiten langen Värnkraft-Papier von 2019 wird Russland[3] 366 Mal erwähnt – und das meist in Verbindung mit der Bedrohung Schwedens und Europas, aufgrund von (angenommener) militärischer Aufrüstung und territorialem Machtbestreben. Es wird über eineinhalb Seiten explizit beschrieben, inwiefern Russland die europäische Sicherheit untergrabe – ein roter Faden, der sich durch das gesamte Dokument zieht, um für eine Aufrüstung und die Bereitschaft des Militärs, wie auch die Alarmbereitschaft der Bevölkerung zu werben. Der Teilbericht Motståndskraft (Widerstandsfähigkeit) sieht vor, dass „das Militär- und Zivilwesen im Rahmen einer gemeinsamen totalen Verteidigung eine [nicht näher spezifizierte] Sicherheitskrise in Europa und Schwedens naher Umgebung, die länger als drei Monate anhält und mit ernsthaften Konsequenzen für die Funktionalität der Gesellschaft einhergeht, bewältigen können sollten“ (ebd.: 191).

Das Värnkraft-Papier betont, dass große Investitionen in die gesamte Kriegsorganisation geleistet werden müssten, um sicherzustellen, dass grundlegende Funktionen sowie sämtliches Material auf dem neusten Stand und betriebsfähig seien. Denn laut Verteidigungsausschuss, sei das schwedische Militär nicht für die Abwehr eines bewaffneten Angriffs ausgerüstet bzw. vorbereitet (ebd.: 148).“

Zu dem pseudorussischen U-Boot-Skandal und seiner Nicht-Erwähnung  in den deutschen Medien nach der schwedischen Selbst-Enttarnung – trotz angeblicher Verwicklung des deutschen Militärs laut schwedischen Quellen und entsprechender Nachfragen schwedischer Journalisten in der Bundespressekonferenz – hier noch einmal einige Blauer-Bote-Artikel zum Thema:

Schweden gibt bekannt: Es gab kein russisches U-Boot vor Stockholm

In einem Artikel vom Samstag, 11. Juni 2016, berichtet sverigesradio (Radio Schweden), dass die schwedische Regierung beziehungsweise der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist mittgeteilt habe, dass das 2014 von Schweden an der Küste Schwedens vermutete russische U-Boot eben kein russisches, sondern ein schwedisches U-Boot war. In einem weiteren Artikel (Interview) bei sverigesradio sagt der Verteidigungsminister sogar, dass diese Information schon seit 2015 vorliegt, aber geheimgehalten wurde. Konkret bezog sich der Verteidigungsminister dabei auf ein Signal, dass ursprünglich von den Schweden beziehungsweise internationalen Medien, Politikern und Militärs einem ausländischen, mutmaßlich russischen U-Boot zugeordnet wurde und gleichzeitig als definitiver wie auch als „letzter vorhandener Beweis“ für die Existenz des angeblichen russischen U-Bootes vor Schwedens Küsten galt. Damit gibt es kein „Beweisstück“ oder Indiz mehr für ein fremdes, ausländisches, feindliches, unbekanntes und/oder russisches U-Boot vor Schwedens Küsten in den Jahren 2014 und 2015. Genau dies räumte der schwedische Verteidigungsminister ebenfalls ein.

Ein berühmtes angebliches Foto eines russischen U-Bootes vor Stockholm, welches auch durch die deutsche Presse ging, stellte sich schon vor längerem als falsch heraus. Es zeigte lediglich ein normales Boot, kein U-Boot. Das schwedische Militär teilte dies bereits vor über einem Jahr – im April 2015 – der Weltöffentlichkeit mit. Diese Information fand in den deutschen Medien allerdings eigentlich gar keine Beachtung. Tagesschau, BILD und andere benutzten das unscharfe Falschbild mit dem gut zehn Meter langen Glasfaserboot später sogar immer noch zum „Beweis“ eines russischen U-Bootes vor Schweden. Nun, mit den neuen Ausführungen der schwedischen Regierung hinsichtlich des angeblichen ominösen Signals, hat sich auch der letzte Strohhalm für die Story vom russischen U-Boot als Luftnummer erwiesen. Bereits seit den 80er Jahren wurden immer wieder angebliche ausländische sowjetische U-Boote vor Schwedens Küsten gemeldet. Jedes Mal stellte sich das als nicht nachweisbar beziehungsweise falsch heraus. In den skandinavischen Nachbarländern existieren schon seit Jahren Witze à la „Die Schweden sehen wieder Mal U-Boote“.

Bereits am 14.4.2015 mussten die schwedischen Behörden eingestehen, dass es sich bei dem mutmaßlichen U-Boot auf dem Foto nicht um ein U-Boot handelte, sondern um eine normales kleines Boot. In dem Artikel “Militär: Mysteriöses Foto zeigt doch kein U- Boot” berichtete die österreichische KronenZeitung: “Auf dem Foto ‘ist kein U- Boot zu sehen’, sagte der schwedische Militärsprecher Jesper Tengroth am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Demnach handelte es sich um ein weißes 10,5 Meter langes Glasfaserboot. […] Dennoch bestehen Schwedens Streitkräfte weiterhin darauf, dass zwischen dem 17. und dem 24. Oktober 2014 ein mysteriöses Gefährt in den Gewässern vor Stockholm unterwegs war. […] Während und nach der erfolglosen Jagd wurden in Schwedens Medien Stimmen laut, welche die Fähigkeit zur Selbstverteidigung des Landes nach Jahren der Budgetkürzungen für das Militär infrage stellten. Im März verkündete die Regierung, sie werde die Verteidigungsausgaben um rund 665 Millionen Euro erhöhen. Der Großteil des Geldes solle in Kapazitäten zum Aufspüren feindlicher U-Boote fließen.”. Realistisch betrachtet: Es gab nie ein U-Boot, also konnte das Militär keins finden, also bekommt es jetzt mehr Geld …

In den deutschsprachigen westeuropäischen Medien findet sich leider kein Artikel zu der nunmehr fünf Tage alten sensationellen Wende im Fall der angeblichen russischen U-Boote vor Schweden, mit der die schwedischen Streitkräfte oder besser die schwedische Regierung nun ihre Haltung aufgaben, dass zwischen dem 17. und dem 24. Oktober 2014 ein russisches Unterwassergefährt in den Gewässern vor Stockholm unterwegs war. RT deutsch berichtete am 13. Juni 2016 in dem Artikel „Schwedischer Verteidigungsminister: Russisches U-Boot war in Wirklichkeit ein ’schwedisches Objekt‘„: „Ein Sonarsignal, das das schwedische Militär im Jahre 2014 für einen ‚definitiven Beweis‘ für die Präsenz eines russischen U-Boots vor Stockholm hielt, wurde nun als ’schwedisches Objekt‘ identifiziert, so der Verteidigungsminister des Landes, Peter Hultqvist. Peter Hultqvist sagte im Sveriges Radio, dass er nicht auf die Einzelheiten über die Herkunft des Signals eingehen werde. Jedoch kann er bekanntgeben, dass sich die Einschätzung über die Herkunft des Signals nun geändert hat. Somit handelt es sich doch nicht um ein ausländisches, vermutlich russisches U-Boot. Vielmehr ist es ein ’schwedisches Objekt‘.“. Da gerade RT deutsch unter Beobachtung einiger deutscher Medien und Journalisten steht, hätte man spätestens nach diesem RT-Artikel entsprechende Meldungen deutscher Medien erwarten können (aber eigentlich schon viel früher, zumindest über die Nachrichtenagenturen).

Radio Schweden erwähnt auch noch ein weiteres verdächtiges und als russisch eingestuftes U-Boot, das bei einer Marineübung am Leuchtturm Vindbåden im Frühjahr 2015 beobachtet wurde. Auch dieses U-Boot sei aber kein russisches, sondern ein deutsches U-Boot gewesen. Auch diese Analyse der schwedischen Militärs wurde jetzt erst durch die Angaben des Verteidigungsministers bekannt. Damit lösen sich die Fälle angeblicher Sichtungen russischer oder anderer unerwünschter ausländischer U-Boote in Schweden in den Jahren 2014 und 2015 in Luft auf. Das angebliche Beweisbild zeigte nur ein normales Boot, ein Arbeitsboot. Die angeblichen Sonarsignale von russischen U-Booten stellten sich nach schwedischen Angaben als Geräusche eines deutschen und eines schwedischen U-Bootes heraus. Die Militärs beziehungsweise die schwedische Regierung gaben das selbst bekannt, wenn auch teilweise mit monatelanger Verzögerung.

Schweden ist mittlerweile so gut wie in der NATO. Und das schwedische Militär hat nun mehr Mittel erhalten – aufgrund der „U-Boot-Vorfälle“. Und der schwedische Verteidigungsminister versucht, sein monatelanges Schweigen damit zu rechtfertigen, dass eine Aufdeckung der Wahrheit peinlich für das schwedisches Militär sei und ja außerdem das schwedische Militär für diese U-Boot-Meldungen verantwortlich sei und er nicht in dessen Aufgabenbereich eingreifen oder vertrauliche Informationen preisgeben wollte.

Dass die deutschen Medien überhaupt nicht darüber berichten, ist angesichts der U-Boot-Hysterie im Jahre 2014 mit den sich überschlagenden Meldungen zu diesen angeblichen Russenubooten in schwedischen Schären ein Skandal, passt aber zur aktuellen politischen Großwetterlage.

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UPDATES vom 17.6.2016: Mehr auch hier:

Nachdenkseiten (“Die Klagen darüber, die NachDenkSeiten würden die Medien zu hart kritisieren, erweisen sich immer mehr als Lachnummern. Jetzt sichtbar am Märchen über russische U-Boote und Schweden.”):  “Dirk Pohlmann, Drehbuchautor und Filmregisseur, vielen bekannt von seiner ARTE-Dokumentation „Täuschung – Die Methode Reagan“ weist jetzt darauf hin, dass die schwedische Regierung zugegeben hat, dass es sich bei U-Booten in schwedischen Gewässern, die von Schweden und vom Westen Russland untergeschoben worden waren, um ein schwedisches und vermutlich um ein deutsches U-Boot handelte. Die deutschen Medien schweigen. Sie sind offensichtlich am Gängelband der westlichen Militärs, machen Kriegstreiberei mit und verschweigen die Wahrheit. Dirk Pohlmann hat einen kurzen Beitrag für die NachDenkSeiten geschrieben und verweist auf zwei einschlägige Interviews.”.

KenFM.de („Missing Link: Ola Tunander zu angeblich russischen U-Booten vor Schwedens Küste„): „Vor wenigen Tagen nun hat der schwedische Verteidigungsminister im öffentlich-rechtlichen Radio zugegeben, dass ihm seit September 2015 bekannt ist, dass sich beide angeblich sicheren Sichtungen von russischen U-Booten als Fehler herausgestellt haben. […] Nach Monaten von Anschuldigungen gegen das Russland Putins schweigt die deutsche Presse – ausnahmslos. Die deutschen Medien haben die dubiosen Anschuldigen nicht kritisch hinterfragt, jetzt verschweigen sie auch noch die Tatsachen. […] In einer jetzt anlaufenden Kette von Telefon- und Videointerviews werden wir die Wahrheit der Ereignisse in Schweden ans Licht bringen. Wir arbeiten, so schnell wir können. Als Auftakt ein Telefoninterview, dass Dirk Pohlmann für KenFM mit Prof. Dr. Ola Tunander geführt hat, Forschungsprofessor am norwegischen Friedensforschungsinstitut PRIO. Ola Tunander, der früher auch an amerikanischen Militärakademien unterrichtete, ist ein Spezialist für Marinestrategie und der weltweite beste Experte für das Thema der schwedischen U-Boot-Zwischenfälle. Er war ziviler U-Boot-Experte der 3. schwedischen Untersuchungskommission, die von der Regierung und dem Verteidigungsminister eingesetzt wurde und bearbeitet das Thema seit mehr als 20 Jahren.“.

Das angesprochene Telefoninterview mit Prof. Tunander als Video bei Youtube:

UPDATE vom 17.06.2016: Ein schwedischer Experte hakt per Twitter bei der Bundeswehr nach – Antwort hat er keine bekommen:

Neues zu den U-Booten vor Schweden

Vor mehr als zwei Wochen gab die schwedische Regierung in Radio Schweden öffentlich zu, was ohnehin eigentlich klar war:  dass die angeblichen russischen U-Boote vor Stockholm in den letzten zwei Jahren gar nicht vorhanden waren. Hier einige neuere Meldungen zu dieser Sache, die in den etablierten deutschen Medien eigentlich völlig ignoriert wird:

KenFM.de: „KenFM am Telefon: Dirk Pohlmann zur Stellungnahme des Verteidigungsministeriums in der U-Boot-Affäre„. Zitat: „Dieser Tage gab dann der Schwedische Verteidigungsminister im Schwedischen Staatsrundfunk offen zu, dass die erneut ‚beobachteten‘ Russischen U-Boote dann doch nicht aus Russland stammen. […] Und was macht unsere Presse aus dieser Meldung? Sie ignoriert sie. Sie recherchiert null. Sie glänz durch Unterlassung. KenFM-Redakteur Dirk Pohlmann, der sich seit Jahren mit der schwedischen U-Boot-Story beschäftigt, schrieb an das Bundesverteidigungsministerium, um der Sache auf den Grund zu gehen. Im Gespräch mit Ken Jebsen spannt er den großen Bogen. Was soll das alles, und wo führt uns dieser Kurs hin.“.

JungeWelt: „U-Boote enttarnt. Geheimes Treiben unter Wasser: Nachforschungen des schwedischen Militärs von Erfolg gekrönt„. Zitat: „Nun müssen sich die Schweden an die eigene Nase fassen. In einem Interview für den staatlichen Kanal Sveriges Radio am 11. Juni gab Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist zu, der Öffentlichkeit monatelang Untersuchungsergebnisse vorenthalten zu haben. Bereits im September 2015 hatte die Schwedische Marine die Resultate ihrer elektronischen Aufklärung zu Makulatur erklärt, ohne Hintergründe zu nennen. Danach verordneten sich Militär und Regierung eine Schweigepflicht. Doch nun lichtete Hultqvist auf Nachfrage der Medien den Schleier […] Tatsache ist, dass Schwedens Militär wieder einmal seine eigene Politik verfolgt. Hultqvist laviert und schiebt diesem die Schuld am Vertuschen des glatten Fehlalarms vom Herbst 2014 zu. Die Sache sei dessen »Verantwortungsbereich«, und er müsse sich »an Geheimhaltungsregeln halten«. Hult­qvist ist schließlich nur Minister. Und kaum jemand macht ihn nass: Während sich die Medien bei der Jagd auf die vermeintlichen Russenboote überschlugen wie bei der ähnlich inszenierten antisowjetischen Hysterie der 1980er Jahre, sind sie nun ziemlich abgetaucht.“.

DWN: „Kalter Krieg. Minister räumt ein: Es gab nie ein russisches U-Boot vor Schweden„. Zitat: „Während eines Manövers in den Gewässern vor Vindbaden meldete die schwedische Marine ebenfalls, dass ein fremdes U-Boot gesichtet wurde. Auch damals fiel der Verdacht auf Russland. Wenig später wurde klar, dass es sich mit einer großen Wahrscheinlichkeit um ein deutsches U-Boot handelte, berichtet Göteborgs Posten. Doch auch dieser Vorfall unterlag bisher der Geheimhaltung.“.

JungeWelt: „Storys aus dem kalten Krieg„. Zitat: „Auch die U-Boote tauchen wieder auf. In den ereignislosen Sommermonaten – in der Branche als »Saure-Gurken-Zeit« gefürchtet – hatten die Westmedien vor gut 30 Jahren drei Hauptthemen: Lebensmittelskandale, das Ungeheuer von Loch Ness oder russische U-Boote beim Ausspionieren schwedischer Gewässer. Das waren allerdings schwedische oder US-amerikanische Fahrzeuge, wie später offiziell zugegeben wurde. Die gleiche Story wird jetzt gerne aufgewärmt. Das russische U-Boot, das 2014 gesichtet wurde, gehörte der schwedischen Marine, wie später schamhaft eingeräumt wurde. Und der davor geortete Eindringling fuhr unter schwarz-rot-goldener Flagge.“:

Leserbrief aus dem Reutlinger General-Anzeiger: „Nichts aus der Geschichte gelernt?„. Zitat: „Die an der russischen Grenze aufgefahrenen Nato-Verbände und -Manöver mit ukrainischer Beteiligung sind natürlich keine Provokation und kein Säbelrasseln. Noch toller geht’s mit den angeblich russischen U-Booten in schwedischen Gewässern zu. Die Hysterie, die mit dieser Schlagzeile in Schweden zum wiederholten Male erzeugt wurde, führte dazu, dass die Militärausgaben dort deutlich erhöht wurden. Jetzt hat der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist zugegeben, dass es sich um ein schwedische Objekt gehandelt habe und nicht um ein russisches U-Boot. Das Bedrohungsszenario soll die schwedische Bevölkerung für einen Nato-Beitritt stimulieren. „.

Telepolis: „Enten und U-Boote. Atlantische Journalisten fischen im Trüben„. Zitat: „So hatte es bereits in den 1980er Jahren geheimnisvolle – angeblich russische – U-Boote gegeben, die nichts dringenderes zu tun hatten, als in schwedischen Hoheitsgewässern publikumswirksam ihre Periskope zu zeigen. Die U-Boot-Sichtungen trieb die neutralen Schweden an die Seite der NATO. Der damals amtierende US-Verteidigungsminister Caspar Weinberger räumte 2000 in einer TV-Dokumentation lächelnd ein, dass es sich seinerzeit um NATO-U-Boote gehandelt hatte. Die psychologische Operation (PsyOp), die damals Ängste vor der Sowjetunion geschürt hatte, sei mit den schwedischen Stellen abgesprochen gewesen. Über diese und andere Kriegslisten der 1980er Jahre zeigte ARTE letztes Jahr die Dokumentation Die Methode Reagan. Autor Dirk Pohlmann sieht die damalige Desinformationskampagne vor dem Hintergrund des schwedischen Ministerpräsident Olof Palme, der sich mit seiner Friedenspolitik oder der Finanzierung von Nelson Mandelas „Terrororganisation“ ANC in Washington keine Freunde gemacht hatte.“.

U-Boot-Skandal in der Bundespressekonferenz

Am 11. Juni 2016 gab der schwedische Verteidigungsminister in einem Interview mit Radio Schweden bekannt, dass tatsächliche oder angebliche U-Boote vor Schwedens Küsten keine Unterseeboote aus Russland gewesen seien, sondern dass in einem Fall ein schwedisches und in einem späteren Fall ein deutsches U-Boot für ein Signal verantwortlich gewesen sei, welches einen Fehlalarm auslöste. Das in der Presse kursierende angebliche U-Boot-Bild aus Schweden hatte sich schon vor über einem Jahr als Falschbild entpuppt: Es zeigt nur ein normales Boot, ein kleines Schiffchen von zehn Metern Länge. Die monatelange, bis vor Kurzem – tatsächlich bis einen Tag vor den Enthüllungen der schwedischen Regierung (!) – anhaltende U-Boot-Hysterie über angebliche russische U-Boote vor Schweden auch in deutschen Medien („Schweden gibt bekannt: Es gab kein russisches U-Boot vor Stockholm„) – ohnehin unter schwerem Propagandaverdacht – löste sich damit vollständig in Luft auf, was allerdings von den deutschen Medien nun großflächig ignoriert wird („Medien halten eisern an Propagandalüge fest„).

Nun hat ein schwedischer Journalist – Herr Daniel Alling vom schwedischen Rundfunk, Korrespondent in Berlin – bei der Bundespressekonferenz nachgefragt, was es denn mit diesem angeblichen und möglicherweise deutschen (und eben nicht russischem) U-Boot vor Schwedens Küsten auf sich hat. Die Vertreter der Bundesregierung gaben sich unwissend. Obwohl das Ganze natürlich ein riesen Thema ist und obwohl es ja schon einige Anfragen von schwedischen Medien, Politikern etc. an die Bundesregierung und die Bundeswehr dazu gab. Auch ein deutscher Journalist – Dirk Pohlmann – hatte dazu entsprechend schon das Verteidigungsministerium angefragt. Dort stritt man aber ab, dass das U-Boot ein deutsches gewesen sei. Die deutsche Botschaft in Schweden stritt auch ab, dass ein deutsches Unterseeboot an Schwedens Küsten aktiv war („Deutsche Botschaft: Schwedische Regierung sagt Unwahrheit über deutsche ‚russische‘ U-Boote vor Schweden„) – Man bezog sich dabei auf Angaben der deutschen Marine.

Video bei Youtube von „Jung & naiv: „Deutsches U-Boot vor Schweden? – Komplette Bundespressekonferenz vom 8. Juli 2016“ (Bei Klick auf diesen Link startet das Video direkt an der entsprechenden Stelle zu den U-Booten vor Schweden).

Telepolis – Autor Markus Kompa – schreibt zu der Sache in dem Artikel „Medienfront hält U-Boot unter der Wasseroberfläche„: „Nachdem die U-Boote sich also noch immer auf Irrfahrt im deutschen Blätterwald befinden, befragte nun gestern in der Bundespressekonferenz ein schwedischer Journalist den Sprecher der Hardthöhe, was ein deutsches U-Boot in den schwedischen Schären zu suchen habe. Die Empörung in politischen Kreisen in Stockholm sei groß. Dem Sprecher allerdings war dieser Sachverhalt, der in alternativen Medien schon lange kursiert, angeblich nicht einmal bekannt. Auch die Nachfrage des unabhängigen Journalisten Tilo Jung, ob ein vom Sprecher als deutsches bezeichnetes U-Boot immer zur deutschen Marine gehöre, vermochte der Sprecher nicht zu beantworten.“.

Den kompletten Text der Bundespressekonferenz und damit auch die entsprechenden Passagen zu den pseudo-russischen U-Booten vor Schweden kann man auch bei „Jung & naiv“ nachlesen (und anschauen): „Bundesregierung für Desinteressierte: BPK vom 8. Juli 2016„. Hier der Auszug mit den U-Boot-Fragen (staatlicher schwedischer Rundfunk durch Herrn Alling und dann auch Tilo Jung von „Jung und naiv“, unabhängiger Journalist), die vom Auswärtigen Amt (Sprecher Herr Dr. Schäfer) und vom Verteidigungsministerium (Sprecher Herr Flosdorff) beantwortet wurden:

FRAGE ALLING: Es wurde in schwedischen Medien heute enthüllt, dass ein deutsches U-Boot im April 2015 schwedische Gewässer außerhalb Stockholms verletzt hat. Die Position war Vindbåden in den südlichen Schären von Stockholm. Gab es ein deutsches U-Boot in der Ostsee, das 2015 in schwedischen Gewässern war? Was hat ein deutsches U-Boot in den Stockholmer Schären zu suchen?

DR. SCHÄFER: Das weiß ich nicht. Haben die da Aale gesucht oder gefangen? Was macht man da? Herr Flosdorff?

FLOSDORFF: Die Meldung ist mir nicht bekannt. Ich kann sie hier nicht verifizieren. Ich muss einfach nachfragen. Ich weiß es nicht. Die schwedischen Medien haben auf jeden Fall nicht im Verteidigungsministerium nachgefragt, um das zu verifizieren. Insofern weiß ich nicht, woher die Information stammt.

ZUSATZ ALLING: Vom schwedischen Verteidigungsministerium.

FLOSDORFF: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Das ist mir nicht bekannt. Das liefere ich aber gerne nach. Ich werde nachfragen und es dann der gesamten Bundespressekonferenz nachliefern.

ZUSATZFRAGE ALLING: Haben Sie bzw. Deutschland diesbezüglich Kontakt mit Schweden gehabt?

FLOSDORFF: Das ist mir nicht bekannt. Das Thema ist mir gar nicht bekannt. Ich habe davon noch nie gehört, werde aber gerne nachfragen, ob das auf irgendeiner Ebene besprochen worden ist.

FRAGE JUNG: Herr Flosdorff, Ihr Ministerium hatte sich gegenüber schwedischen Medien schon dazu geäußert und gesagt, dass sich im Januar 2015 kein U-Boot der Deutschen Marine in schwedischen Hoheitsgewässern befand. Darum habe ich jetzt einmal ein paar Detailfragen dazu: Wenn es ein deutsches U-Boot gibt, dann gehört es immer zur Deutschen Marine, richtig?

FLOSDORFF: Ich weiß nicht, welche Stelle sich da geäußert hat. Diese

ZURUF JUNG: Ihr Ministerium!

FLOSDORFF: Ich weiß es nicht. Wenn es mein Ministerium ist, kann es sein, dass das in irgendeinem Jahr gewesen ist. Mir ist der Fall nicht bekannt. Ich kenne die Äußerung nicht. Ich kenne die Antwort nicht. Ich kann Ihnen deswegen hier keine Details dazu nennen; es tut mir leid.

ZUSATZ JUNG: Aber dann können wir ja Fragen stellen, deren Antworten Sie nachreichen können.

FLOSDORFF: Ja, das hatte ich ja gerade eben angeboten.

ZUSATZFRAGE JUNG: Darum die Frage: Wenn Sie von einem deutschen U-Boot sprechen, gehört das dann immer zur Deutschen Marine?

Meine zweite Frage wäre noch, ob sich ein deutsches U-Boot in anderen Monaten im Jahr 2015 und im Jahr 2014 in schwedischen Hoheitsgewässern befand. Darauf möchte ich auch eine Antwort haben.

FLOSDORFF: Ich weiß nicht, ob es deutsche U-Boote außerhalb der Marine gibt. Ich nehme an, wenn wir dazu Stellung nehmen, dann betrifft das U-Boote, die zur Deutschen Marine gehören.

DR. SCHÄFER: Ansonsten sind die Beziehungen zu Schweden aber wirklich ausgezeichnet!

ZURUF ALLING: Man kann immer lachen, aber das ist eine ernsthafte Frage, und die Empörung in politischen Kreisen in Stockholm ist groß; es tut mir leid.

DR. SCHÄFER: Wir lachen überhaupt nicht über Ihre Frage, ganz im Gegenteil. Ich finde die Vorstellung trotzdem amüsant, wenn Sie mir das erlauben. Es tut mir leid; nehmen Sie es nicht persönlich.

Schweden ist mittlerweile so gut wie in der NATO. Und das schwedische Militär hat nun mehr Mittel erhalten – aufgrund der “russischen U-Boot-Vorfälle”. Und der schwedische Verteidigungsminister versuchte bei der endgültigen Bekanntgabe der Wahrheit, sein monatelanges Schweigen damit zu rechtfertigen, dass eine Aufdeckung der Wahrheit peinlich für das schwedisches Militär sei und ja außerdem das schwedische Militär für diese U-Boot-Meldungen verantwortlich sei und er nicht in dessen Aufgabenbereich eingreifen oder vertrauliche Informationen preisgeben wollte. Dass die deutschen Medien überhaupt nicht darüber berichten, ist angesichts der U-Boot-Hysterie in den Jahren 2014 und 2015 (und 2016, Stichwort „russische Aggression“) mit den sich überschlagenden Meldungen zu diesen angeblichen Russenubooten in schwedischen Schären ein Skandal. Das Verhalten der Bundesregierung in dem Fall ist ebenso mehr als blamabel. Das zeigte gerade wieder (aber nicht nur) die aktuelle Bundespressekonferenz. Den Journalisten vom schwedischen Rundfunk quasi noch auszulachen und zu veräppeln (siehe Video), während Schweden fleißig Militärübungen mit der NATO macht, die in engem Zusammenhang mit der U-Boot-Propaganda stehen, ist einfach eine Frechheit.

Mehr zu den U-Booten vor Schweden bei Blauer Bote

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