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Der „beschützte“ Iran

Unter dem Label „Schutzerverantwortung“ wird die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen in ihr Gegenteil verkehrt.

Was bei Anwendung der R2P-Doktrin und den damit verbundenen sogenannten (verlogen ausgedrückten) humanitären Interventionen immer geschah, war die Konstruktion einer B-Geschichte, welche man in sechs Punkten zusammenfassen kann:

  1. eine einseitige, selektive und verfälschende Berichterstattung der zum Anlass genommenen, teilweise auch erfundenen Ereignisse
  2. eine massiv produzierte Welle der Empörung, welche die Menschen emotional vereinnahmt
  3. der in breiter Öffentlichkeit propagierte vorgebliche Versuch von Amtsträgern und Personen öffentlichen Interesses mit den Menschenrechtsverletzern „im Guten zu reden“; wiederholte und sich verstärkende Forderungen, Appelle und Protestnoten
  4. die stetige Marginalisierung des „kritisierten“ Systems; ständig geäußerte Besorgnis
  5. der Übergang des geistigen Krieges in den politischen Krieg und Wirtschaftskrieg (Sanktionen)
  6. der Ruf nach humanitären Korridoren, ungehinderten Zugang zu den Konfliktgebieten, Flugverbotszonen und schließlich einer humanitären Intervention, „um einen Völkermord zu verhindern“
  7. das Ausblenden und bewusste Verschweigen der tatsächlichen Ziele, der Vorgeschichte, der im Hintergrund durchgeführten Maßnahmen zur Destabilisierung der anzugreifenden Gesellschaft und damit der eigenen Verantwortung für die Erzeugung vielfachen menschlichen Leids (die A-Geschichte)

Die Punkte 1 bis 6 werden auch gern wiederholt und parallel betrieben. Sie zielen auf eine systematische Schwächung der anzugreifenden Gesellschaft, der sechste dann auf die Aufhebung derer staatlichen Souveränität. Die Punkte 1 bis 4 nun; sie werden im Falle des Iran gerade wieder vorexerziert.

Die Massenmedien glänzten mit einer Unmenge von Fälschungen, als sie die Proteste im Iran zum Jahreswechsel 2017/2018 zum Anlass nahmen, einen dortigen Aufstand des Volkes beim westlichen Medienpublikum zu suggerieren. Eine Reihe entsprechender, aufgedeckter „Kostbarkeiten“ kann in diesen Artikeln begutachtet werden:

Die Punkte 2 und 3 werden von Massenmedien und Politikern im Gleichklang in die Praxis umgesetzt. Mit ernster wie besorgter Miene rufen Stellungnahmen zur Mäßigung und zur Einhaltung der Menschenrechte auf. Es wird davor gewarnt, weiterhin mit Gewalt friedliche Proteste zu unterdrücken. Stillschweigend werden die in Punkt 1 konstruierten Lügen als Wahrheit verkauft. Alles was da passiert, zielt auf Emotionen, auf eine unreflektierte Wahrnehmung und damit das Hinnehmen der B-Geschichte.

Solche Prozesse besitzen eine Eigendynamik. Sie schüren Angst und Schuldgefühle und die sich betrügen lassenden Konsumenten der Informationen beginnen in dieser Eigendynamik ihrerseits, die B-Geschichte weiter zu verbreiten. Zurücklehnen, nachdenken, alle Seiten versuchen zu verstehen, nach gemeinsamen Lösungen suchen – all das ist unter solchen psychologischen Zwangslagen für die Menschen kaum mehr möglich.

Fragen zum Protest einer NRO

Punkt 3 zündet die nächste Stufe in Richtung R2P. Sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NROs), die sich für Demokratie und Menschenrechte weltweit stark machen, werden aktiv. Sie verbreiten Geschichten „ihrer Aktivisten“ vor Ort und reihen sich in die Schar der Empörten ein. Die Agenda solcher Organisationen klingt durchweg weiß gewaschen und möchte Verbesserungen für die Menschen anderswo.

Zumindest ich gehe davon aus, dass ein überwältigender Teil der in NROs aktiven Menschen mit großer innerer Überzeugung für die Rechte anderer Menschen streitet und sich so als Helfer und Unterstützer von Bedrängten wahrnimmt. Diese Überzeugung ist authentisch und ich spreche den Beteiligten keinesfalls ihre guten Motive ab. Allerdings ist diese Überzeugung oft emotional, so nicht reflektiert und damit überhebend und anmaßend. Und deshalb lassen sich diese Menschen ausnutzen. Kritisches Hinterfragen aber könnte das verhindern.

Ein Beispiel für dieses blinde Folgeleisten sei aus aktuellem Anlass hier vorgebracht: Die Verantwortlichen der Internationalen Liga für Menschenrechte (ILMR) schlossen sich einem Protest ihrer Dachorganisation an (b1):

Bild

Die ILMR schloss sich – wie gesagt – einem Protest an, sie hat ihn nicht selbst verfasst. Das ist natürlich auch einem Vertrauensverhältnis geschuldet. Haben sie es aus Loyalität, sozusagen mit Bauchschmerzen getan? Oder glaubten sie, nicht prüfen zu müssen? Glaube ist bequem, doch ein halbwegs kritischer Blick auf die Protestnote würde bereits genügen, um zu erkennen, dass der Protest substanzlos ist, dass er Behauptungen ohne Belege aufstellt und dies trotzdem als Grundlage zu Forderungen gegenüber der iranischen Regierung gereicht.

So steht dort:

„Es wird befürchtet, dass im Zusammenhang mit den Protesten sehr viele Menschen ums Leben kamen. Während offizielle Quellen 21 Todesfälle, einschließlich zweier Sicherheitsbeamter und zweier Kinder, von denen eines 11 Jahre alt war, bestätigen, sind die tatsächlichen Zahlen nachweislich höher“ (1).

Wie rasch es doch geht, dieses Kompromisse machen, wenn man emotional vereinnahmt ist. Dachorganisation der ILMR ist die Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme (FIDH) mit Sitz in Paris, der weitere 178 Menschenrechtsorganisationen angehören. Das Original der Protestnote ist in Englisch verfasst und bezugnehmend auf das Ende obigen Zitats steht dort:

„the actual numbers are likely higher“(2).

Was sich – wenn ich nicht irre – übersetzt mit:

„Die aktuellen Zahlen sind wahrscheinlich höher.“

Die deutsche Sektion der FIDH hat das „wahrscheinlich“ in ein „nachweislich“ verwandelt:

„…sind die tatsächlichen Zahlen nachweislich höher.“

Schon das unscharfe „wahrscheinlich“ weist auf die mangelhafte Seriosität der Note hin, das „nachweislich“ jedoch zeigt eindeutig auf die emotionale Vereinnahmung, damit einhergehende Parteinahme und den folgerichtigen Hang zur Überspitzung. „Nachweislich“ hat so auf unlautere Weise die eh schon fragwürdige Note in deren manipulativer Ausrichtung verstärkt. Fragt sich, ob die ILMR „gebeten wurde“, sich der Note anzuschließen; einschließlich der kleinen „Anpassung“ oder ob sie selbst diesen Entschluss fasste.

Auf jeden Fall – und das ist es, was ich an dieser Stelle kritisiere – sind das die kleinen Stufen, um stetig auf der Eskalationsleiter nach oben zu steigen. Bis alle – gefangen im aufgeladenen, emotionalen Tunnelblick so weit sind, um zu rufen: Wir müssen intervenieren und es gibt ein völkerrechtlich abgesegnetes R2P.

Gehe zu den Wurzeln, ordne die Dinge in einen zeitlichen Kontext ein. Schau auf die Ereignisse, die während dessen außer dem noch geschahen. Das ist ein – so finde ich – gutes Mittel zu verstehen, warum, wann, wer, was vorantrieb.

Zu den Wurzeln von R2P

Das Prinzip des Responsible to Protect wird gern mit dem Völkermord des Jahres 1994 in Ruanda in Zusammenhang gebracht. Die Völkergemeinschaft war schuld am Abschlachten mehrerer hunderttausend Menschen in diesem zentralafrikanischen Land, weil sie „die Hände in den Schoß legte“ – so der Tenor. Nie wieder dürfte das passieren, wir haben die Pflicht einzugreifen. Wir müssen intervenieren. Dass die Dinge sich auch in Ruanda und dem benachbarten Kongo damals mit Sicherheit nicht so simpel abspielten und das millionenfache Sterben danach weiterging, OHNE dass es einen Aufruf zu R2P dort gegeben hat, sei der Vollständigkeit halber angemerkt.

R2P geht ganz klar mit dem Begriff „Humanitäre Intervention“ schwanger und was sie vereint, ist die Pflicht, Krieg zu führen, um „eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“. Die Befürworter einer solchen Strategie aber ziehen überhaupt nicht ernsthaft in Betracht, dass es anders gehen würde. Deshalb ziehen sie sehr rasch die Karte des „alle Mittel sind ausgeschöpft“, um zur repressiven, gewaltsamen Tagesordnung übergehen zu können.

Wir versinken ständig in ethisch-moralisch anspruchsvollen Dimensionen und vergessen dabei, dass die Geschicke dieser Welt nach wie vor durch Macht- und Herrschaftsverhältnisse bestimmt werden. Das ist eine Denkweise, die global tief in den Menschen verinnerlicht ist. Das Positive ist, dass wir an unsere eigenen ethischen Werte glauben und sie für umsetzbar halten. Das Negative ist, dass wir meinen, diese Ethik weltweit verbreiten und so missionarisch als das Gute über die Menschen bringen zu müssen. Dafür verzichten wir in unserem Opportunismus lieber auf das Vorleben der Ethik, die wir doch als so wertvoll schätzen.

Auf eine Diskussion zum Völkerrechtsbegriff R2P lasse ich mich hier nicht ein, ich sehe sie sogar als überflüssig an. Es ist eine Erweiterung des Konzepts sogenannter humanitärer Interventionen und dient als Machtinstrument zur umfassenden Einmischung in die Belange fremder Gesellschaften, um sie auf diese Weise steuern zu können. Es ist ein Mittel, um zu gestalten. In den gleichen Kontext sind Begriffe wie Good Gouvernance einzuordnen, welche Vorstellungen der Gestalter umsetzen, eine Gesellschaft „zu verbessern“.

Stellt sich die Frage: Wer sind sie, die selbst ernannten Gestalter? Und weitere Frage: Wie entstand R2P als Völkerrechtsbegriff?

Von der Regierung Kanadas wurde um die Jahrtausendwende eine Kommission einberufen, die International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS). Das war eine Ad-hoc Kommission die, „Ad-hoc“ verrät es, in hektischer Betriebsamkeit aus dem Boden gestampft wurde. Die massive Umgestaltung anderer Staaten seitens der Initiative Project for a New American Century (PNAC) war längst in Planung, wie auch der sogenannte Krieg gegen den Terror. Die Anschläge auf die WTC Twin Towers in New York standen vor der Tür. Es war keine von den Vereinten Nationen einberufene und gewählte Kommission.

Was mich gleich zur nächsten Frage trieb: Warum ausgerechnet kam Kanada zu jenem Zeitpunkt auf diese Idee? Stellen wir das zurück und schauen wir, wie die Kommission zusammengesetzt wurde. Das finden Sie hier.

Nächste Frage: Wer hat über die Zusammensetzung dieser 12-köpfigen Kommission entschieden und wie sahen die entsprechenden Entscheidungsprozesse aus? Denn Eines ist doch ganz erstaunlich. Dass nämlich an erster Stelle in dieser Kommission Gareth Evan, langjähriger australischer Senator und Ministerpräsident aufgeführt ist. Dieser hatte fünf Jahre zuvor den damals mit 150.000 US-Dollar dotierten Grawemeyer Prize(3) für seine Ideen zur Verbesserung der Weltordnung erhalten. Zuvor spielte er eine wichtige Rolle bei der Entwicklung eines UN-Friedensplanes für Kambodscha (4).

Aber vor allem war Gareth Evan seit Januar 2000 Präsident und leitender Geschäftsführer der International Crisis Group (ICG) (5).

Die Gründung der ICG im Jahre 1994 und deren Finanzierung wurde maßgeblich verantwortet von der Carnegie Endowment for International Peace (CEIP) – namentlich Morton Abramowitz, der seit Jahren außerdem führende Positionen im Vorstand des National Endowment for Democracy (NED) besetzt. Die zweite Hauptsäule der ICG ist der Hedgefonds-Milliardär George Soros (6).

Sowohl die NED (die von der US-Regierung finanziert wird) als auch die ICG sind spezialisiert auf die Neugestaltung von Gesellschaften in anderen Staaten. Die führenden Köpfe dieser NROs, das sind sie, die (sich so sehenden) auserwählten Gestalter. Beide vertreten eine neoliberale Agenda und Konzepte einer offenen Gesellschaft mit sich auflösenden Grenzen, Vermischung der Ethnien und enthemmtem Kapitalismus. Beide sind überzeugte Vertreter, dass es rechtens ist, gewaltsam in Gesellschaften einzugreifen, wenn sie selbst – die Eliten – es für notwendig halten.

Edle Spender

Zurück zur R2P-Kommission die eine weitere interessante Personalie vorzubringen hat und das ist Cornelio Sommaruga. Der Schweizer war zu jener Zeit nämlich auch Vorstandsmitglied des Open Society Institute. Das heißt heute Open Society Foundation(7) und wirbt, wie der Name es schon sagt, für offene Gesellschaften. Weil nämlich auch nur dann (im Sinne dieser Gestalter) gestaltet werden kann. Und auch diese wurden mit den Spekulationsgewinnen des George Soros finanziert. 2017 fütterte Soros „seine“ Foundation mit sage und schreibe 18 Milliarden US-Dollar (8).

Hedgefonds-Netzwerke als Ideengeber für das Konzept einer Schutzverantwortung gegenüber anderen Gesellschaften? Ist das logisch? Ja, das ist es, denn das Geschäftskonzept eines Hedgefonds funktioniert am besten, wenn alle nationalstaatlichen Barrieren, welche souveräne Entscheidungen eines Landes erst möglich machen, gerissen sind.

Die weltweite Verbreitung der einzig wahren westlichen Werte versteckt nichts anderes als die neoliberale Agenda, die ein von allen Fesseln befreiter Kapitalismus benötigt. Diese Agenda setzt einen einfachen wie (gegenwärtig leider) wirksamen Wertemaßstab durch: Geldvermehrung. Die Hedgefonds leben das vor und reißen dabei alle ethischen Schranken nieder – auch die der so gern propagierten westlichen Wertegemeinschaft. Dabei müssen die Mitglieder eines solchen Systems auch geistig mitspielen, sie müssen funktionieren. Tun sie das nicht, muss man sie zu „ihrem Glück“ zwingen.

Das große Problem ist, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder unserer Gesellschaft, bei allem Vertreten von und Streben nach ethischen Werten, ultimativ in der Matrix des unbedingt notwendigen Geldes und seiner als alternativlos wahrgenommenen Vermehrung hängen bleibt. Wäre es nicht so, würde George Soros ein unauffälliges und bescheidenes Leben führen. So aber wird ein Soros – mit samt seinem Wahn – von der Gesellschaft getragen.

Soros steckte seine Milliarden in dutzende, ja hunderte NROs; „impfte“ viele Jahrzehnte alte Organisationen (Paradebeispiel Human Rights Watch) und etablierte selbst Neue. Das tut er, weil es ein Geschäft für ihn ist. Die emotional ausgerichtete Agenda all dieser Organisationen, der Eigenen wie der Infiltrierten, (ver)führt diese zu Aktivitäten, die ganz im Sinne der offenen Gesellschaften sind, welche ein Hedgefonds-Manager benötigt.

Soros ist eben kein Philanthrop, für ihn sind dies alles vielmehr Investitionen, die sich bis heute für ihn gelohnt haben. Meine persönliche Meinung dazu lautet: Man sollte mit dem Teufel keinen Pakt schließen.

Ein Hedgefonds-Manager von der Art eines Soros münzt ganz bewusst sein Geld in politischen Einfluss um. Soros und sein Umfeld können Ereignisse zu Nachrichten machen, ohne dass der Medienkonsument jemals diesen kausalen Zusammenhang erfährt. Sie können die Ereignisse sogar zuvor selbst erst erschaffen haben. Um Soros herum wandeln unzählige weitere Profiteure, die ein dichtes Netzwerk gebildet haben, das wiederum mit anderen an Privatinteressen orientierten Netzwerken kooperiert (oder auch konkurriert) und auf unterschiedlichen Ebenen die Gesellschaften manipuliert.

Nachrichten werden heutzutage gesendet, um Emotionen zu steuern – zeitgerecht und dosiert. So etwas hat Soros an der Börse gelernt, denn Spekulanten handeln emotional; ihren Gefühlen von Gier und Verlustängsten gehorchend. Soros nutzt die Emotionen der anderen Spekulanten für sich aus, er selbst ist pathologisch. Und er hatte immer einen Wettbewerbsvorteil. Weil nämlich Psychopathen befähigt sind, die Emotionen anderer Menschen ganz gezielt zu steuern, um dadurch Befriedigung zu empfinden. Nachrichten sind Teil des Spiels, sie bilden eine virtuelle Welt ab; die Welt, die Sie bitte registrieren möchten und auf die Sie in gewünschter Weise reagieren sollen.

Schauen wir auf die aktuellen Ereignisse im Iran. Hätte die gesteuerte Meinungsindustrie nicht sehr koordiniert diese Sensibilisierung vorgenommen, dann würde wohl auch die ILMR sich nicht genötigt fühlen, ausgerechnet jetzt eine Protestnote gegen die iranische Regierung zu zeichnen. Die Handelnden glauben, mündige, autonome Entscheidungen zu treffen.

Das ist aber nicht der Fall. Durch Politik und Medien werden sie vielmehr stetig auf die „richtigen“, die vermeintlich für alle relevanten Themen sensibilisiert. Und sie lassen sich hineinziehen in das Spiel „böse Diktatur gegen gutes Volk“. Was dann folgt, ist parteiischer, emotional aufgeladener Aktivismus, der Keinem hilft, auch Keinem im Iran. Dienlich ist das dafür ganz Anderen; Leuten, denen die Menschenrechts-Keule nur Mittel zum eigenen Zweck ist.

Sie, die sich innerhalb und außerhalb von Organisationen für Menschenrechte aktiv einsetzen, sie alle sollten Massenmedien und etablierte Politik viel, viel weniger, dafür aber gezielt und reflexiv für Ihre Informationsgewinnung zu Rate ziehen.

Dabei denke ich, dass die ILMR noch vergleichsweise unabhängig ist. Die Dachorganisation der ILMR, die FIDH ist es – so meine ich – auf keinen Fall. Dabei rede ich nicht von Kontaktschuld sondern von finanziellen Abhängigkeiten. Wer glaubt ehrlich, dass die FIDH eine autonome Politik fahren kann, wenn das (unter anderem) die Unterstützer sind (9)?

  • Europäische Kommission
  • Außenministerien Norwegens, Finnlands, der Niederlande und Dänemarks
  • Außenministerien Frankreichs und Großbritanniens
  • Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
  • Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ); in Auftrag EU und deutsche Regierung (BMZ)

Mit wem wohl wird dieFIDH vielfältige Kontakte pflegen? Natürlich mit Vertretern dieser Institutionen, natürlich tauscht man sich aus und das ist ja auch gar nicht verwerflich. Wer jedoch die Agenda der europäischen Mächte kennt, die einen neuen Kolonialismus vorantreiben, insbesondere durch Institutionen wie das deutsche BMZ, sollte nicht zu naiv sein. Nach ihrem Finanzbericht von 2015 waren 56 Prozent der Förderungen, welche der FIDH im Jahre 2015 zuflossen, zweckgebunden – von wem und für welche Zwecke (10)?

Die FIDH arbeitet intensiv im afrikanischen Raum, Frankreich hat dort außerordentlich starke wirtschaftliche Interessen, ja die französische Wirtschaft würde ohne die brutale Plünderung Afrikas umgehend zusammen brechen! Wer fragt nach Menschenrechten, wenn es um französische Interessen im Ausland geht?

Die FIDH wird doch nicht die primären Verursacher von Kriegen – welche das Menschenrecht auf Leben massenhaft brechen – anprangern, wenn sie massiv von diesen bezuschusst wird! Was sie auch nicht tut. Die Geldgeber der FIDH sind Jene, welche das Prinzip der Menschenrechte durch ihren Neokolonialismus erst aushebeln. Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz!

Gibt es noch mehr Abhängigkeiten? Welche (privaten) Organisationen waren es denn in den letzten Jahrzehnten, die das Projekt eines Neuen Nahen Ostens vorantrieben? Organisationen die durch ihr kreatives Chaos das wichtigste Menschenrecht im Nahen Osten komplett ausgehebelt haben, nämlich das Recht auf Leben! NROs, gefördert durch diese Stiftungen haben unverhohlen zum Krieg getrommelt (Syrien lässt grüßen). Die FIDH erfährt auch Unterstützung von (unter anderem):

  • Ford Foundation
  • Oak Foundation und – wen wunderts
  • Open Society Foundations

Denken Sie jetzt, dass ich Soros & Co. als Feindbild auserkoren habe? Mitnichten. Aber in Anbetracht der Tatsache wie die Bevölkerung manipuliert wird, einschließlich auch jener engagierten Menschen, denen Nöte und Unrecht anderswo nicht egal sind. In Anbetracht der gesteuerten Informationspolitik. In Anbetracht der Tatsache, wie jene Eliten, die von den blutigen Kriegen dieser Welt seit Jahrzehnten profitieren, systematisch politische und gemeinnützige Institutionen unterwandern und teilweise sehr subtil für die eigenen Zwecke gebrauchen.

Mit Blick auf genau Jene, die gleichzeitig als großzügige Geldgeber auftreten, frage ich mich ernsthaft, ob gerade die diversen Menschenrechtsorganisationen tatsächlich in der Richtung ihres selbst gewählten Auftrags aktiv sind. Genau jene, über welche die NROs mit dem Fokus auf Menschenrechte gefördert werden, sind ja selbst die größten Menschenrechtsverletzer! Der Kampf um Menschenrechte, so wie er heute geführt wird, geht völlig am Kernproblem vorbei. Wir zeigen auf die Anderen, nur fragt sich mit welchem Recht? Wann kehren wir endlich im eigenen Haus?

Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Das Anliegen mag noch so edel sein, allein es nützt den Zielen der vermögenden und am Gewinn orientierten Sponsoren, statt denen der Menschenrechtsorganisationen (was für eine bittere Ironie). Es treibt deren Agenda (siehe Punkte 1 bis 6 am Anfang des Artikels) voran und so kehrt sich das Anliegen in das Gegenteil um. Wir dürfen beginnen, wahre Autonomie zu erlernen. Und wir dürfen lernen, dass der wichtigste Punkt der Siebente ist – die A-Geschichte.

Wenn man sich dann schon (in guter Absicht) in iranische Belange einmischt, um Verbesserungen für Menschen zu erwirken, dann kann so etwas nur über vielfältigen, achtungsvollen wie gleichberechtigten Austausch MIT(!) den iranischen Behörden erfolgen, doch nicht durch Druck GEGEN sie.

Was bleibt?

Menschenrechtsorganisationen sind unabhängig? Nun, sie glauben – wie auch Journalisten, es zu sein. Sie laufen in das gleiche Problem, eine schleichende Konditionierung, die sich in einem immer schmaler werdenden Korridor verbildlicht. Möchten Sie ein Beispiel?

Welche Menschenrechts-NRO hat das Menschenrechtsverbrechen an Syrien, einen von außen losgetretenen Krieg, den die deutsche Regierung mit zu verantworten hat, gebrandmarkt? Gibt es da wiederkehrende Protestnoten, die die Bundesregierung aufforderten, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte zu achten? Ich möchte sie gern sehen. Denn hier geht es um unsere Verantwortung. Einer halben Million Menschen in Syrien (davon wahrscheinlich ein Fünftel Nicht-Syrer) wurde das Menschenrecht auf Leben genommen, Millionen das Recht menschenwürdig zu leben. Das sind Millionen von Einzelschicksalen, denen allesamt kein Anwalt gestellt wurde. Kein Wunder, wenn doch die Anwälte im Land der (Mit-)Täter wohnen. Wo beginnt eigentlich die Verantwortung für Menschenrechte – und wo endet sie?

Solange eine nicht reflektierende, maßlos konsumierende Gesellschaft ihre Politiker damit regelrecht auffordert, neokoloniale Feldzüge in Angriff zu nehmen. Solange solch eine Gesellschaft wie selbstverständlich davon ausgeht, dass ihr dieser maßlose Wohlstand zusteht. Und solange diese Gesellschaft von ihrem einzigartigen Thron westlicher Werte überheblich auf „unterentwickelte“ Gesellschaften herunter schaut.

Solange wird diese Gesellschaft – also die Unsrige – Menschenrechtsverletzungen exportieren. Und um die Verantwortung wegzuschieben, wird sie mit dem Finger auf Andere zeigen, das Opfer zum Täter machen, Schuldige andernorts – wie jetzt den Iran – suchen und finden. Ich hätte da also eine Aufgabe für die diversen Menschenrechtsorganisationen; eine Aufgabe die hier in diesem Land beginnt …

Bleiben Sie bitte in diesem Sinne schön aufmerksam.

Quellen:

(b1) Screenshot; Von: ILMR [mailto:info@ilmr.de] Gesendet: Montag, 15. Januar 2018 12:16
An: ILMR info@ilmr.de Betreff: Internationaler Appell angesichts der Ereignisse im Iran
(1) 15.1.2018; Protest-Mail des IMR; Von: ILMR [mailto:info@ilmr.de] Gesendet: Montag, 15. Januar 2018 12:16
An: ILMR info@ilmr.de Betreff: Internationaler Appell angesichts der Ereignisse im Iran
(2) 3.1.2018; https://www.fidh.org/en/region/asia/iran/government-must-respect-rights-show-restraint-in-dealing-with
(3) 16.1.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/Grawemeyer_Award
(4,5) https://web.archive.org/web/20110514112041/http://www.iciss.ca/members-en.asp
(6) 16.1.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/International_Crisis_Group
(7) 16.1.2018; https://en.wikipedia.org/wiki/Open_Society_Foundations
(8) 17.10.2017; https://www.wsj.com/articles/george-soros-transfers-18-billion-to-his-foundation-creating-an-instant-giant-1508252926
(9,10) 16.1.2018; https://www.fidh.org/en/about-us/our-funding/

Zum Artikel

Dieser Beitrag erschien als Erstveröffentlichung beim Rubikon-Magazin.

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