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Eine Zensur findet statt

Ein Privatsender bekam juristischen Ärger, weil er fair über die von „Querdenken“ organisierten Demonstrationen für die Grundrechte berichtete.

von Jan Schulz-Weiling

Die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) hat wegen des Verdachts der politischen Werbung ein Verfahren gegen den privaten Fernsehsender L-TV Landesfernsehen mit Sitz in der Region Stuttgart eingeleitet. Der Sender hatte von Querdenken-711 organisierte Demonstrationen für die Wiederherstellung des Grundgesetzes ausgestrahlt. Das zugrunde liegende Prinzip der Neutralität ist legitim. Allerdings zeigt sich an dem Vorfall deutlich, wie mit zweierlei Maß gemessen wird. Die negative Mainstream-Berichterstattung über Freiheits-Demonstrationen im Zusammenhang mit den Corona-Maßnahmen ist im höchsten Maße parteiisch.

Die Stuttgarter Zeitung schreibt unter Berufung auf LFK-Sprecherin Eva-Maria Sommers, „dass es in diesem Fall nicht um den Beitrag an sich gehe, sondern einzig um Zahlungen für die Ausstrahlung“. In einer Pressemitteilung der LFK heißt es:

„Politische Werbung ist kein Kavaliersdelikt und wir werden mit Entschiedenheit dagegen vorgehen, wenn in Baden-Württemberg Sendezeit an interessierte Dritte verkauft wird […] Mit dem Verbot politischer Werbung im Rundfunk soll verhindert werden, dass einzelne gesellschaftliche Gruppierungen durch Sendezeit Meinungsmacht einkaufen und damit die öffentliche Meinungsbildung bestimmen können.“

Der Autor hat eine entsprechende Anfrage an die LFK gestellt, wie diese einzelne gesellschaftliche Gruppierungen klassifiziert und wem es gestattet ist, durch Sendezeit Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung zu nehmen. Pressesprecherin Eva-Maria Sommer schrieb hierzu:

„Die Prüfung, ob ein Verstoß gegen das Verbot politischer Werbung vorliegt, erfolgt stets bezogen auf den Einzelfall.“

Die zugrundeliegende Prämisse ist ja durchaus löblich, dass niemand sein Geld dafür benutzen darf, um die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Jedoch kommt einem hier wieder das alte Sprichwort in den Sinn: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Es wäre wünschenswert, dass die vom Rundfunkbeitrag finanzierte LFK den Mut aufbringen würde, die so selbstbewusst vorgetragenen Prinzipien auch gegenüber denen anzuwenden, von denen Gegenwind zu erwarten ist. Dies wiederum wirft die Frage auf: Wiegt sich die LFK hier in Sicherheit und rechnet nicht mit Empörung seitens der Bevölkerung? Das Team um Querdenken-711 hatte jedenfalls dazu aufgerufen, die LFK zu kontaktieren und die eigene Meinung zu diesen Vorgängen mitzuteilen.

Bereits am 20. Juni hatte Michael Ballweg in einem Redebeitrag auf einer Demonstration in Stuttgart die LFK dazu aufgefordert, sich mit den immer weiter ausufernden Zensurpraktiken von Plattformen wie YouTube auseinanderzusetzen. Nach Aussage des Staatsministeriums ist die LFK für sogenannte Telemedien wie YouTube zuständig. So waren in den Tagen zuvor sowohl die Rede von Milorad Krstic „Wir fordern sozialen Frieden“, sowie die Rede von Professor Dr. Christian Kreiß „Wer profitiert vom Lockdown“ von der zu Google gehörenden Plattform gelöscht worden. Kreiß gab hierzu bekannt:

„Das finde ich unerhört. Die Rede eines verbeamteten Professors einer staatlichen Hochschule, die sich für unser Grundgesetz und die Grundrechte einsetzt, wird zensiert.“

Unter dem Link ist der Beitrag ab Minute 15:45 zu sehen. Pressesprecherin Sommer teilte hierzu auf Anfrage mit, der Vorgang sei der LFK unbekannt.

Es ist nicht die erste Nachricht dieser Art, die die Bewegung Querdenken-711 um Initiator Michael Ballweg seit der Großdemonstration in Berlin am 1. August erreicht. Am 11. August 2020 wurde das Softwareunternehmen media access von Michael Ballweg von den langjährigen Kunden ZF Friedrichshafen AGThyssenkrupp AG sowie der Robert Bosch GmbH aufgefordert, die Referenzen von der Webseite zu entfernen.

Querdenken-711 fordert die Vertreter der Presse seit Monaten dazu auf, ihrer Arbeit unvoreingenommen nachzukommen.

Jedoch, wenn weder die öffentlich-rechtlichen noch die privaten Medien ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht um neutrale und objektive Berichterstattung nachkommen und gleichzeitig einer Protestbewegung nicht zugestanden wird, sich eigene Sendezeit zu kaufen, wie soll dann die Bevölkerung in der Lage sein, sich aus den ihr zur Verfügung stehenden Medien unabhängig zu informieren?

Was sagt es über den Status einer Demokratie und der Meinungsfreiheit aus, wenn man sich zwar zu Wort melden darf, aber hinterher mit Zensur sowie finanziellen und rechtlichen Folgen rechnen muss?

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 5

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

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Dieser Beitrag erschien zuerst im Rubikon-Magazin.

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