Das Völkerrecht ist ein Staatenrecht. Es handelt entgegen seines deutschsprachigen Namens nicht vom Volk, Volksgruppen oder Völkern, sondern soll Staaten Schutz vor gewaltsamer äußerer Einmischung garantieren. Wer wie in einem Staat an die Macht kam, interessiert dabei nicht. Angriffskriege gegen einen Staat oder Durchführung und Unterstützung von Regime Changes von außen sind völkerrechtlich verboten. Mit mittlerweile einer Ausnahme: Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Staatengemeinschaft übereingekommen, dass die UNO ein Mandat für einen Krieg erteilen kann, unter strikten Bedingungen. Bezogen auf die Krim-Ereignisse des Jahres 2014 und den seitdem laufenden Streit zwischen der Ukraine und Russland ergibt sich völkerrechtlich folgendes Bild:
Der gewaltsame Maidan-Putsch Ende Februar 2014 war ein völkerrechtlich illegaler Staatsstreich, der für jeden auch sehr sichtbar von außen – vom Westen – unterstützt und auf verschiedenen Wegen mit durchgeführt wurde. Bereits zuvor hatten die USA verkündet, Milliarden in den Regime Change in der Ukraine investiert zu haben. Alleine Letzteres ist schon ein klares, völkerrechtlich relevantes Geständnis.
Einige westliche Spin Doctors erklärten mit Bezugnahme auf die Krim-Krise, dass der Putsch in Kiew irrelevant für die völkerrechtliche Betrachtung der Krim-Thematik sei, da das Völkerrecht ja nicht danach frage, wer wie an die Macht gekommen sei, sondern dass es nur darum gehe, dass die neue Kiewer Regierung nun an der Macht sei. Das ist natürlich eine sehr abenteuerliche Ansicht, dass man bei einem Völkerrechtsbruch sofort wieder einen Wimpernschlag später vom Völkerrecht geschützt wird.
Darüber hinaus und insbesondere wurde hier von diesen Spin Doctors Völkerrecht gezielt mit dem Brettspiel Stratego „versehentlich verwechselt“: Bei Letzterem muss der Spieler die Fahne erobern und hat dann alles gewonnen. Beim Völkerrecht ist es dagegen nicht so, dass derjenige, der die Hauptstadt unter seine Kontrolle bringt, automatisch das ganze Land gewinnt. Wenn das auch noch im Rahmen eines völkerrechtswidrigen Angriffs und Staatsstreichs geschieht, verbessert das nicht gerade die Argumentationslinie der Spin Doctors gegenüber den Wissenschaftlern.
Bezogen auf die Krim läßt sich zur Situation im Februar und März 2014, vor dem Anschluss an Russland, sagen: Die neue Kiewer Regierung hatte keine Legitimität, aber selbst wenn man dies beiseite läßt und nur die grundsätzlich völkerrechtlich korrekte Argumentation vorbringt, dass nur zählt, wer in einem Gebiet die Macht hat (Staaten sind nebenbei bemerkt völkerrechtlich auch nicht „auf ewig unteilbare Einheiten“), dann sieht es auch für die Spin Doctors ganz schlecht aus. Denn die Krim war klar unter Kontrolle der Regierung der ohnehin schon autonomen Region Krim.
Völkerrechtlich hatte die Kiewer Putschregierung in jedem Fall also auf der Krim nichts zu bestimmen. Die Krim-Regierung hätte völkerrechtlich sogar jederzeit die komplette russische Armee (von der kleine Teile ja schon seit Jahren auf der Halbinsel regulär stationiert waren) oder jede andere auf die Krim einladen können. Die Putsch-Regierung in Kiew hatte auch weder völkerrechtlich noch nach einem anderen Recht die Möglichkeit, der ihr völkerrechtlich nicht unterstehenden Halbinsel Krim ihre territoriale Entwicklung vorzuschreiben. Eine Volksabstimmung auf der Krim über einen Beitritt zu Russland war daher völkerrechtlich mehr als legitim.
Eine Zustimmung von über 90% für diesen Anschluss an Russland zeigt zudem, dass dies dem Willen der (fast ausschließlich russischsprachigen) Bevölkerung der Krim entsprach. Völkerrechtlich ist eine Argumentation mit einem „Selbstbestimmungsrecht der Völker“, wie sie teilweise in der Krim-Frage zugunsten des Anschlusses der Krim an Russland angebracht wird, aber eigentlich nicht relevant. Macht sich ein Gebiet innerhalb eines Staats – beispielsweise eine Volksgruppe in ihrem Gebiet – von sich aus selbständig, kann dies beispielsweise zu einer neuen völkerrechtlichen Einheit führen. Wird eine Volksgruppe von außen benutzt, um ein Land zu spalten oder dergleichen, so ist das völkerrechtlich illegal.
Das Staatenrecht „Völkerrecht“ sieht aber kein eigenes „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ vor. In bezug auf die Krim ist eine Argumentation mit „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ völlig irreführend. Relevant sind die weiter oben genannten, tatsächlich völkerrechtlichen Bestimmungen. Die Argumentation „Der Westen hat im Falle der Abspaltung des Kosovo von Serbien auch von einem Selbstbestimmungsrecht der Völker gesprochen und das muss dann auch für die Krim gelten dürfen“ mag zwar in einer Diskussion hilfreich sein, geht aber um eigentlichen völkerrechtlichen Kern der Krim-Frage vorbei.
Die Frage nach der legitimen staatlichen Zugehörigkeit der Krim ist schon durch die grundsätzlichen völkerrechtlichen Bestimmungen zugunsten Russlands beziehungsweise der Bevölkerung der Krim geklärt. Die einzige Möglichkeit des Westens und der Kiewer Regierung, hier irgendwie – abseits des Völkerrechts – zu argumentieren, ist: „Anfang 2014 gehörte die Krim noch zur Ukraine, jetzt gehört sie zu Russland. Das ist unfair.“. Völkerrechtlich haben diese „pro-westliche“ Seite und ihre Spin Doctors keine Chance.
Etwas Linderung schafft hier nur eine massive Falschdarstellung durch die immer wieder und wieder wiederholte Propaganda von der angeblich „völkerrechtswidrigen Annexion der Krim“ oder auch nur der „Annexion der Krim“ inklusive der Unterdrückung kritischer Stimmen in den eigenen Ländern. Die Abspaltung der Krim und den Verlust der Region für die Ukraine hat die „pro-westliche“ Seite durch ihren teilweise dilletantischen (und gänzlich völkerrechtswidrigen) Staatsstreich selbst verschuldet.
Erfreulich, sachlich und umfassend auf den Punkt gebracht!
Dankeschön.
Danke auch!
Danke für die objektive und ermessensfehlerfreie Berichterstattung.
„Es ist an der Zeit“ das internationale Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg
einzuberufen.
Auf das Thema kann man nicht oft genug hinweisen, danke Ihnen!
Als (ziemlich ausführliche) Ergänzung noch das:
https://peds-ansichten.de/2015/04/die-krim-krise-ursachen-und-hintergruende-2/
Viele Grüße, ped43z
Sehr guter Text! Sogar das Pogrom von Korsun wird erwähnt! 🙂
Ja, dazu findet man eigentlich nicht viel. Ich wollte schon seit drei Jahren dazu was schreiben.
Eines sollte auch klar sein. Der Anschluss der Krim an Russland war kein Akt der Gutherzigkeit oder Nächstenliebe.
Putin ging es vor allem um die strategische Bedeutung des Marinehafens in Sewastopol.
Durch den völkerrechtswidrigen Regime Change in Kiew musste er befürchten, dass der bis zum Jahr 2042 geltende Pachtvertrag von den Putschisten aufgekündigt werden würde. Die Aussicht, dass NATO-Schiffe vor den Nasen der Russen hin- und herfahren würden, dürfte natürlich alles andere als verlockend gewesen sein. Genauso gut hätte Putin Obama fast schon die Schlüssel für den Kreml in die Hand drücken können.
Es musste also schnellstens eine Lösung her, und das Referendum war sogar eine sehr elegante Lösung, dazu praktisch ohne Risiko. Ich glaube kaum, dass Russland es nötig hatte, das Ergebnis zu fälschen, weil der größte Teil der Bevölkerung sowieso nicht zur Ukraine gehören wollte.
Davon abgesehen wäre Putin auch innenpolitisch enorm unter Druck gekommen, wenn er bezüglich der Krim keine Nägel mit Köpfen gemacht hätte.
Wäre Russland durch den vom Westen initiierten Putsch in Kiew nicht so sehr in die Ecke gedrückt werden worden, würde die Krim heute noch zur Ukraine gehören. Trotzdem war es keine Annexion.
Sehe ich ähnlich.
Bei dieser Thematik verweise ich immer wieder gern auf diesen Artikel aus dem Feuilleton der FAZ von 2014. Da war im Prinzip alles gesagt. Bei den politisch Verantwortlichen ist allerdings leider bis heute nichts davon angekommen:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-krim-und-das-voelkerrecht-kuehle-ironie-der-geschichte-12884464.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Bereits 1992 wollte sich die Krim übrigens von der Ukraine lösen:
Quelle: http://www.mdr.de/heute-im-osten/krim188.html
Hier ist es wie weltweit bewiesen, sollte das „Recht“ des Stärkeren gelten. Wessen Recht ist das ? Es ist das Recht des Geldes ! Wessen Geldes ? Könnte es das bedruckte Papier, US-Dollar genannt sein ? Ja es war so, was ja von vielen US- Vasallen nicht geleugnet, sondern bestätigt wurde. Es sind immer nur wenige „Hintermänner“ die solche „Umstürze“ planen, finanzieren und dann mit ihren gekauften „nützlichen Idioten“ umsetzen lassen. Geld regiert die Welt ! Das wußten die alten Leute schon früher.
Poroschenko ernennt „ständigen Vertreter auf der Krim“
De Bewertung der Vorgänge sowohl in Kiew als auch auf der Krim durch RT Deutsch:
Keine Annexion: Wie das Parlament der Krim den Volkswillen vollstreckte