Nicht nur bei der aktuellen Fußballeuropameisterschaft in Frankreich sorgt Island für Furore. Auch die schwere Finanzkrise der letzten Jahre hat der kleine nordatlantische Inselstaat bestens überwunden und steht nun wieder hervorragend dar. Vorraussetzung dafür war eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die im Prinzip genau das Gegenteil der Austeritäts- und Bankenpolitik in der Eurozone ist, also das Gegenteil der „Schäuble-Politik“ der EU, und auch durch Proteste der Bevölkerung zustande kam, die zudem die bisherige Regierung abwählte und zusätzlich durch Referenden eine „Schäuble-Politik“ in Island und damit auch das Abwälzen der Bankenschulden auf den Normalbürger – wie es in Rest-Europa üblich ist – verhindern konnte. Selbst der IWF muss mittlerweile diese Leistung Islands und seiner Bevölkerung als herausragend anerkennen. Hier einige Artikel, die aufzeigen, wie sich Island retten konnte (jeweils Link zum Artikel plus Zitat daraus):
taz: Wie Island die Krise überwand. Fünfmal schlimmer als die Griechen
„Es waren Schulden pleite gegangener privater Banken, die diese in EU-Ländern mit verantwortungslosen und betrügerischen Geschäften aufgehäuft hatten und die nun über den Weg der Einlagensicherung „sozialisiert“ und von den isländischen SteuerzahlerInnen übernommen werden sollten. Dass Reykjavík sich dagegen wehrte, war pure Verzweiflung. […] Zumal die PolitikerInnen auch gar nicht anders konnten. Dafür sorgte das isländische Volk. In einer Bewegung, die so etwas wie der Vorläufer von „Occupy Wallstreet“ war, gingen die IsländerInnen nach dem Crash auf die Straße. Mit ihrer „Kochtopfrevolution“ jagten sie nicht nur die für die Finanzen mitverantwortliche Regierung davon. Mit Hilfe von Dauerdemonstrationen und über Volksabstimmungen stoppten sie anschließend auch noch jeden Versuch, dem Staat auch nur einen Teil der Bankschulden aufzuhalsen. „Kompromisse“, die von Reykjavík mit den Hauptgläubigerländern Großbritannien und den Niederlanden ausgehandelt wurden und vom Parlament auch abgesegnet worden waren, wurden kurzerhand mit einem Referendumsnein von bis zu 94 Prozent wieder gekippt. Es half nichts, dass Großbritannien sogar seine Antiterrorgesetzgebung bemühte, Island auf eine Stufe mit al-Qaida stellte und sämtliche Guthaben des Landes einfrieren ließ. […] Die eigene Währung – selbst wenn sie erst einmal schlagartig an Wert verlor – beschleunigte nicht etwa den Untergang, sondern war entscheidende Voraussetzung für die Rettung. Könnte das nicht vielleicht „Inspirationsquelle“ für südeuropäische Euroländer sein, fragt Finn Østrup, Finanzwirtschaftsprofessor an Dänemarks Copenhagen Business School. Beispielsweise für Griechenland? Islands Staatspräsident Ragnar Grimsson hat noch einen anderen Tipp für verschuldete Länder: „Nicht auf die Finanzmärkte hören, sondern auf das Volk.““
Makroskop: Island nach der Krise und eine neue alte Idee
„Man kann letztlich den Isländern nur gratulieren, dass sie ihr Land so schnell aus der Krise geführt haben. Die expansive Fiskalpolitik hat ihren Teil dazu beigetragen, dass sich Island jetzt über gutes Wachstum, eine niedrige Inflationsrate (aber eben keine Deflation) und eine gute Situation auf dem Arbeitsmarkt freuen kann. Gewinne der Banken kommen inzwischen in hohem Ausmaß dem Staat zugute, der alle drei ehemalig privaten Banken nationalisierte und noch immer größere Anteile hält. In einem Vortrag des isländischen Zentralbankpräsidenten bei der Handelskammer wurde jüngst sogar deutlich, dass Island eher mit zu viel als mit zu wenig Wachstum kämpft (Link):
“The title of my talk today is Monetary policy at a crossroads. These crossroads are, first, the disappearance of the slack in the economy and the development of a positive output gap, with the result that the task of monetary policy is no longer to stimulate GDP growth to the extent that the inflation target allows but to ensure that the tension in the economy does not cause overheating, which would jeopardise economic stability.”
Nachdem also die Ökonomie aus der Flaute gesteuert wurde, liegt nun die Nachfrage über dem Angebot und die Geldpolitik muss nicht das Wachstum stimulieren in Verfolgung des Inflationsziels, sondern die Spannungen in der Ökonomie abbauen, so dass die Wirtschaft nicht überhitzt und dadurch instabil wird. Von solchen wirtschaftspolitischen Herausforderungen können wir in den Eurozone nur träumen. (Die Lösung für eine Überhitzung ist übrigens allseits bekannt: eine Mischung aus höheren Zinsen, geringeren Staatsausgaben und höheren Steuern.)“
Makronom: Wie das kleine Island den Ökonomie-Mainstream Lügen gestraft hat
“Außerdem hat die Zentralbank ihre Geldpolitik gestrafft. Der Leitzins stieg 2009 auf 18% und liegt jetzt immer noch bei 5,75%. In Großbritannien, der Eurozone und in den USA haben die Zentralbanken ihre Leitzinsen fast auf null gesenkt und Quantitative Easing-Programme gestartet. Island hat der Austeritätspolitik getrotzt, die Europa fest im Griff hatte, und der Fiskalpolitik erlaubt, die ökonomischen und sozialen Lasten zu tragen. Insbesondere wurden öffentliche Gelder verwendet, um die Schuldenlast der Privataushalte zu senken, die ansonsten jede konsumbasierte Erholung zunichtegemacht hätten. Der Ökonom Paul Krugman, der womöglich durch einen Nobelpreis vor der Orthodoxie geschützt ist, hat wiederholt die Aufmerksamkeit auf die Politik gelenkt, die es dem regelbrechenden Island ermöglichte, sich viel schneller von der Krise zu erholen, als es den Kollegen in der Eurozone gelungen ist”.