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Neue Machthaber in Brasilien

Der kalte rechte Staatsstreich in Brasilien hat sein erstes Etappenziel erreicht. Staatspräsidentin Dilma Rousseff wurde unter fadenscheinigen Begründungen suspendiert. Harald Neuber heute bei Telepolis dazu: „In Brasilien herrschen jetzt Alte, Reiche, Weiße und Rechte„. Zitat: „Nach dem institutionellen Putsch in Brasilien zögern die neuen Machthaber nicht, das politische Ruder brutal herumzureißen. Brasiliens De-facto-Präsident Michel Temer hat nach dem vorläufigen Sturz der gewählten Präsidentin Dilma Rousseff eine „Regierung der nationalen Rettung“ ausgerufen. Sein Kabinett lässt eine massive politische Zäsur erkennen. Brasilien wird in den kommenden 180 Tagen – solange ist Rousseff mindestens suspendiert – von alten, reichen, weißen und rechten Männern regiert. Die Massivität des politischen Bruchs erinnert an Argentinien unter Präsident Mauricio Macri. Und sie lässt erahnen, dass sich die neuen Machthaber nicht mit ihrer zeitlich begrenzten Macht zufriedengeben werden.“.

Mehr Informationen dazu aus den letzten Wochen:

Amerika 21: Die Elite in Brasilien führt Krieg gegen die Grundlagen der Demokratie, 30.04.2016. “Um also zusammenzufassen: Brasiliens Finanz- und Medieneliten geben vor, dass die zweifach gewählte Präsidentin des Landes wegen Korruption abgesetzt wird, während sie konspirieren, um die korruptesten politischen Figuren an die Macht zu bringen. Damit drängen die Oligarchen Brasiliens eine gemäßigt linke Regierung aus dem Amt, die in vier aufeinanderfolgenden Wahlen im Namen der Ärmeren des Landes gewann, und übergeben stattdessen Goldman Sachs und den Lobbyisten der Banken die Kontrolle über die brasilianische Wirtschaft, die siebtgrößte der Welt. Der Betrug, der hier vor sich geht, ist ebenso unverfroren wie zerstörerisch. Aber es ist das bekannte Muster, das sich rund um den Globus wiederholt, besonders in Lateinamerika, wo eine winzige Elite einen eigennützigen, selbstsüchtigen Krieg gegen die Grundlagen der Demokratie führt. Brasilien mit seiner weltweit fünftgrößten Bevölkerung war ein hoffnungsvolles Beispiel dafür, wie eine junge Demokratie reifen und sich entwickeln kann.”.

Amerika 21: Geopolitisches Amtsenthebungsverfahren in Brasilien, 29.04.2016. “Der institutionelle Staatsstreich in Brasilien wird durch den Kongress ausgeführt, aber die Unterstützungen gehen weit über die nationale Politik hinaus […] Die Schaffung einer BRICS-Entwicklungsbank stellt die Schaffung einer Finanzierungsalternative fern der von den USA beherrschten Institutionen dar. Das heißt, eine Finanzierungsalternative außerhalb der neoliberalen Politiken, die an die Bedingungen der Finanzierung durch die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds geknüpft sind. Der institutionelle Staatsstreich in Brasilien wird durch den brasilianischen Kongress ausgeführt, aber die Unterstützungen gehen weit über die nationale Politik hinaus. Die enge Bindung zwischen der internationalen Rechten und den US-amerikanischen Kapitalinteressen werden augenscheinlich bei einigen Namen, die bezüglich einer möglichen Regierung unter (Vizepräsident Michel) Temer gehandelt werden. Das ist der Fall bei Paulo Leme, gegenwärtig Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs in Brasilien. Sein Name fällt immer häufiger, wenn es um die Besetzung des Finanzministers oder den Vorsitz bei der brasilianischen Zentralbank in einer zukünftigen Regierung geht.”

Spiegel Online: Parlament gegen Präsidentin in Brasilien: Aufstand der Scheinheiligen. 18.04.2016. “Brasiliens Kongress zeigt sein wahres Gesicht. Die Mehrheit der Abgeordneten hat nicht nur für die Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff votiert. Die Parlamentarier haben mit verfassungsrechtlich fragwürdigen Mitteln das havarierte Staatsschiff Brasilien auf einen strammen Rechtskurs gebracht. […] Jair Bolsonaro verteidigte gar in flammenden Worten einen der schlimmsten Folterer der Militärdiktatur. […] Gegen 60 Prozent der 594 Kongressmitglieder laufen Verfahren, unter anderem wegen Korruption, Stimmenkauf, Entführung und Mord. Als ‘Orgasmus eines verfaulten Systems’ bezeichnete der Kolumnist Clovis Rossi in der Zeitung ‘Folha de Sao Paulo’ den Amtsenthebungsprozess gegen Rousseff. […] Mehrere Abgeordnete haben während der Abstimmung in der vergangenen Nacht deutlich gemacht, dass sie Neuwahlen für den besten Weg aus der Krise halten. Allerdings wäre diese Lösung wohl nur mittels einer Verfassungsänderung möglich. Vizepräsident Temer und die Opposition werden sich kaum darauf einlassen: Sie sind der Macht ohne Wahlen zum Greifen nahe gekommen.”.

Spiegel Online: Staatskrise in Brasilien: „Wir sind nicht mehr zu retten“, 06.04.2016. „Die Drahtzieher der größten Partei Brasiliens PMDB versuchen, Präsidentin Rousseff aus dem Amt zu jagen. Sie kämpfen seit Jahrzehnten mit allen Mitteln um den Erhalt der Macht – und die Versorgung mit Posten. […] Parlamentspräsident Eduardo Cunha, der das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff vorantreibt, und der PMDB-Senator Romero Jucá hatten zuvor vor Fernsehkameras ein würdeloses Schauspiel geboten: Innerhalb von drei Minuten verkündeten sie den Auszug der PMDB aus der Regierung, dann fielen sie sich um den Hals und schrien: „Weg mit der Präsidentin!“. Ausgerechnet Cunha, ausgerechnet Jucá: Der Präsident des Abgeordnetenhauses, einer der mächtigsten Strippenzieher im Kongress, ist wegen Korruption und Geldwäsche im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal um den Ölkonzern Petrobras angeklagt, er soll über fünf Millionen Dollar auf Schweizer Konten gebunkert haben. Auch in den Panama Papers wird er erwähnt. Er bestreitet alle Vorwürfe. Sein Parteifreund Jucá ist Chef einer mächtigen Politiker- und Großgrundbesitzerdynastie, die wie eine Krake über den Amazonas-Bundesstaat Roraima herrscht. Während der Militärdiktatur war er Chef der umstrittenen Indianerbehörde Funai. Das Oberste Bundesgericht ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Stimmenkaufs.“.

UPDATE: Wie Wikileaks gestern schrieb, war der neue Brasilianische Präsident Temer Informant von US-Geheimdiensten und berichtete direkt an diese. 06SAOPAULO30_a

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