Gesellschaft Internet Medien Politik Wissenschaft

Netzpolitik-Landesverrat

Irre, Slapstick, aber doch real: NSA-Skandal-Generalbundesanwalt Range ermittelt nicht gegen sich selbst sondern gegen netzpolitik.org-Journalisten wegen Landesverrats (Netzpolitik: „‚Verdacht des Landesverrats‘: Generalbundesanwalt ermittelt doch auch gegen uns, nicht nur unsere Quellen„, Fefe, Fefe, ZDF, Internet Law, Zeit, Metronaut, Tagesschau). Und zwar auf Strafanzeige von Verfassungsschutz-Skandal-Verfassungsschutz-Chef Maaßen hin. Damit haben wir den größten Anti-Medien-Skandal der Bundesregierung (Range ist weisungsgebunden und untersteht dem SPD-Justizminister Maas) seit der Spiegel-Affäre. Gut, die Maßstäbe verschieben sich, man vergleiche nur einmal das – eigentlich immer noch gültige – Volkszählungsurteil mit der heutigen Realität.

Scherz beiseite, das Vorgehen der Merkel-Regierung und ihrer Behörden gegen die (letzte) freie Presse ist ein Skandal. Ich selbst bin zwar Netzpolitik ein wenig böse, weil sie sich an der Ukraine– beziehungsweise Anti-RusslandPropaganda des Westens beteiligt haben beziehungsweise diese schön gedeckt haben, aber natürlich haben sie netzpolitisch sehr gute Arbeit geleistet, sich herausragend gegen Überwachung eingesetzt. Da haben sie quasi Heldenstatus. Und die Kumpanei im außenpolitischen Propagandabereich hat ihnen letztlich nicht viel gebracht. Aber lassen wir das … Dass ausgerechnet eine Regierung, die selbst permanent und immer noch und in unzähligen Fällen Landesverrat begeht, die beiden Netzpolitik-Journalisten wegen Landesverrat anklagt, ist so grotesk, es verschlägt mir glatt die Sprache. Hier einige Reaktionen auf die Anzeige:

Internet Law schreibt: „Anlass der Ermittlungen ist offenbar der Bericht ‚Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an Massendatenauswertung von Internetinhalten‚. Im Zuge dieses Berichts hatte netzpolitik.org einen Teil des als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Haushaltsplans des Verfassungsschutzes veröffentlicht, um darzustellen, in welchem Umfang Mittel für die Internetüberwachung bereitgestellt werden.“. WTF? Das Veröffentlichen eines Haushaltsplans soll Landesverrat sein? Echt jetzt? Metronaut berichtet dies übrigens auch und verweist auch noch auf den Netzpolitik-Artikel „Geheime Referatsgruppe: Wir enthüllen die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung„, der ebenfalls Auslöser der Anzeige sein soll.

Rolandtichy.de schreibt in dem Artikel „Angriff auf die Pressefreiheit. Generalbundesanwalt ermittelt gegen Netzpolitik.org„: „Jetzt ermittelt der GBA – wegen Landesverrats. Trotz der durch Art. 5 GG garantierten Pressefreiheit. Daraus entnehme sicher nicht nur ich: Strafanzeigen des fragwürdigen Bundesamts für Verfassungsschutz haben in diesem Staat mehr Gewicht als Bürgerinteressen und vor allem: mehr Gewicht als Grundrechte. Das können wir nicht weiter dulden.“.

Fefe schreibt: „Erinnert ihr euch an den Generalbundesanwalt? Der Typ, der die NSA und die NASA nicht auseinanderhalten kann. Der Typ, auch im Folgejahr NSA nicht buchstabiert kriegte. Der Typ, der nicht fand, dass man GCHQ oder NSA was vorwerfen kann. Weil, äh, wir haben die ausländischen Regierungen gefragt, die uns ausgespäht haben, und die wollten uns keine sie inkriminierenden Beweise vorlegen. DER TYP ermittelt jetzt wegen Landesverrats gegen netzpolitik.org.“. In einem anderen Beitrag von Fefe heißt es bezüglich der schwachen Reaktion des Spiegel zu der Anzeige: „Ich sehe da keine Solidarisierung. Nur Herunterspielversuche der Tragweite dessen, was da gerade passiert. […] Ja super, liebe Spiegel-Redaktion! Stellt euch mal vor, wie ihr euch damals bei der Spiegel-Affäre gefühlt hättet, wenn das andere Presseorgane so gesagt hätten. Stattdessen hat sich damals praktisch das ganze Land hinter den Spiegel gestellt.“.

Die Anklage stützt sich auf Paragraph 94 des Strafgesetzbuches, Paragraph 93 des StGB regelt, was ein Staatsgeheimnis ist:

§ 94 Landesverrat

(1) Wer ein Staatsgeheimnis

1.
einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder
2.
sonst an einen Unbefugten gelangen läßt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen,

und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine verantwortliche Stellung mißbraucht, die ihn zur Wahrung von Staatsgeheimnissen besonders verpflichtet, oder
2.
durch die Tat die Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt.

§ 93 Begriff des Staatsgeheimnisses

(1) Staatsgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheimgehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.

(2) Tatsachen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder unter Geheimhaltung gegenüber den Vertragspartnern der Bundesrepublik Deutschland gegen zwischenstaatlich vereinbarte Rüstungsbeschränkungen verstoßen, sind keine Staatsgeheimnisse.

Spendenkonto für die Gerichtsverfahren gegen den Stern/Bertelsmann-Konzern