Gesellschaft Internet Medien Politik Webfundstück Wissenschaft

NZZ: Ein Fall von schwerer Propaganda-Amnesie?

Der aktuelle Ukraine-Krieg und die Propaganda darum herum stecken voller Skurrilitäten. Jetzt ist eine neue dazugekommen: Die Schweizer Qualitätszeitung NZZ (Neue Zürcher Zeitung) hat offenbar ihr eigenes Interview „vergessen“, welches sie vor etwas mehr als zwei Wochen mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko führte. In dem Gespräch sagte Poroschenko, die Ukraine habe bereits über 1000 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge erhalten. Heute berichtet die NZZ, die Ukraine werde keine Waffenlieferungen aus dem Westen erhalten. Ja was denn nun?

„Von August bis Januar habe ich eine sehr starke Armee aufgebaut. Mehr als tausend Panzer und gepanzerte Fahrzeuge wurden geliefert. Im Juni hatten wir keine Armee. Im August versuchten wir, mit den Mitteln zu kämpfen, die uns zur Verfügung standen. Jetzt haben wir eine Armee. Wir haben für das Militär ein sehr effektives Programm der technischen Zusammenarbeit mit fast der ganzen Welt. Wir haben ausgebildete Soldaten, die eine einzigartige Kampferfahrung haben. Glauben Sie mir, wir sind nicht nur bereit, unser Land zu verteidigen, sondern auch Europa. Denn die Frontlinie im Kampf um Europas Freiheit und Demokratie befindet sich in der Ukraine.“, sagte Petro Poroschenko in dem von Redakteur Christian Weisflog geführten Interview vom 20. Januar 2015, welches die NZZ mit dem Zitat „Starke Armee ermöglicht politische Lösung“ betitelte.

In einem Artikel von heute – 5. Februar 2015 – zu möglichen Waffenlieferungen aus NATO-Staaten beziehungsweise dem Westen in die Ukraine heißt es bei der Neuen Zürcher Zeitung dann aber überraschenderweise: „Die Ukraine bittet den Westen weiter eindringlich um Waffen für den Kampf um den Donbass, doch Europa und die USA bleiben beharrlich bei ihrem Nein.“. Weiter heißt es in dem Artikel: „Mit Blick auf die jüngsten Kämpfe und das Vorrücken der prorussischen Separatisten hat Poroschenko die Nato zu Waffenlieferungen an sein Land gedrängt. Die Koalition müsse ’noch mehr Unterstützung für die Ukraine zu leisten, unter anderem durch die Lieferung von modernen Waffen zum Schutz und der Gegenwehr gegen den Aggressor‘, sagte Poroschenko der deutschen Zeitung ‚Die Welt‘. Die Ukraine wolle den Frieden, doch dieser müsse von einer starken Armee mit modernen Waffen verteidigt werden.“.

Man kann doch eigentlich von Qualitätsmedien wie der NZZ erwarten, dass sie zu einem so brisanten Thema das eigene, äußerst aufschlussreiche Interview mit einem ausländischen Spitzenpolitiker im Hinterkopf behalten und dann wieder hervorholen kann, wenn es eine neue, völlig widersprüchliche Entwicklung gibt. Kann man so etwas wirklich innerhalb von zwei Wochen vergessen? Stellt man die Aussagen Poroschenkos im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung gegen die aktuellen Verlautbarungen zu den gewünschten Waffenlieferungen, dann müßten einem als Journalist doch allerlei Fragen kommen. Und man hätte mit Sicherheit eine Top-Story. Stattdessen kommt nichts, aber auch gar nichts. Die NZZ muss sich hier ganz klar den Vorwurf der vertuschenden Propaganda gefallen lassen. Mindestens aber ist diese Affäre ein schwerer journalistischer Fehler. Den Bürgern wird diese ständige „Inkompetenz“ der Medien allerdings langsam auffällig und lästig.

Spendenkonto für die Gerichtsverfahren gegen den Stern/Bertelsmann-Konzern

Kommentar hinterlassen