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Zur Desinformationskampagne gegen Russland

Auf Logon Echon ist – wieder einmal – ein guter Artikel zu Russland erschienen. Der schwule Autor Gert Ewen Ungar schreibt in einem umfangreichen, kenntnisreichen Text über die teils äußerst groteske Desinformationskampagne gegen Russland, der wir – die Bevölkerung im Westen – ausgesetzt sind und die realen Verhältnisse in Russland, die er sich bereits mehrfach selbst angeschaut hat. Dabei schreibt er natürlich auch über die russische Homosexuellenszene, über die es hierzulande ja vor allem wildeste Propaganda-Gerüchte gibt (vergleiche zum Umgang der hiesigen Schwulenszene mit dem Thema Russland/Ukraine auch die Kommentare unter diesem Artikel bei Blauer Bote zu diesem Artikel bei queer.de). Er schreibt auch über die russische Wirtschaft beziehungsweise das Erwerbsleben der einfachen Leute in Russland. Über die „Annexion der Krim“. Und über vieles anderes, was man so an Propaganda zu Russland kennt. Sehr interessant. Man weiß gar nicht, was man aus dem Text alles zitieren soll … Am besten den ganzen Artikel lesen: Desinformationskampagnen. Es lohnt sich. Zitate:

„Vor drei Jahren noch war ich braver, systemkonformer Putin-Gegner. Schrecklich, was da alles passiert in diesem dunklen Russland, das eingeklemmt ist zwischen orthodoxer Kirche und rückwärts gewandter Politik eines homophoben, sein Volk aller Freiheiten beraubenden Diktators. Schauprozesse, unterdrückte Presse, Gewalt gegen Schwule und Lesben, ein eigenes Gesetz sogar, das die Gewalt gegen Minderheiten festschrieb. Einfach entsetzlich.

Aber irgendwann war es mir dann so, als würde doch etwas zu dick aufgetragen. Es waren Meldungen wie die, dass Bundespräsident Gauck diplomatische Verwicklungen riskiert und seinen Besuch bei den Olympischen Spielen in Sotchi aus Sorge um die Schwulen und Lesben absagte.
Die Inkarnation des deutschen Opportunismus wirft sich schützend vor eine Minderheit? Irgendwie war das ein bisschen zuviel, um glaubhaft zu sein. Es wurde mir klar, ich musste da selbst mal gucken gehen. Hinfahren also und einen Sprachkurs machen. Genau das habe ich dann auch getan.

[….]

Ich habe die Krim besucht. Nach deutschen Medien sollte es dort nach dem Anschluss an Russland ganz schrecklich sein. Sich ausbreitende Armut, Inflation, Unsicherheit, ausbleibende Touristen und unterdrückte Tartaren, so sähe es da jetzt aus. Nur ein paar alte Sowjetspinner würden da hinfahren, in Nostalgie schwelgen und vom wiederaufleben der Sowjetunion träumen. Nichts davon ist auch nur annähernd wahr. Die Hotels gut gebucht, die Strände voll, die Tataren integriert. Sie arbeiten als Taxi- und Busfahrer und betreiben Restaurants und Cafés in touristischen Ausflugszielen wie dem Berg Aj Petri. Systematische Unterdrückung sieht anders aus.

[…]

Es wäre Aufgabe einer an journalistischen Prämissen orientierten Berichterstattung gewesen, über genau diese gesellschaftlichen Entwicklungen aufzuklären, anstatt Ressentiments zu schüren und Hass zu erzeugen. Dieses Züchten von Hass geht bis in die queere Community hinein und wird dort mit Inbrunst ausgelebt.

Wenn man nach Russland einreist, dann warnt die weit verbreite schwule Dating-App Scruff. An der sogenannten Reisewarnung ist so ziemlich alles falsch. Schwuler Aktivismus ist in Russland natürlich genauso wenig verboten, wie Versammlungen generell illegal sind.
Die in der Warnung geschürte Angst verhindert Kontakt und Austausch. Perfide.

[…]

Ich bin kein Freund des Wortes Lügenpresse, weil es politisch instrumentalisiert wird, aber in meiner Auseinandersetzung mit Russland wurde und wird deutlich, wir werden systematisch falsch informiert. Es sind nicht einzelne Ausrutscher oder Akzentuierungen, über die man sich streiten kann. Es sind tatsächlich flächendeckende Fehlinformationen. Es geht gar nicht anders als Absicht zu unterstellen. Es stellt sich freilich die Frage, warum und mit welchem Ziel das alles passiert?

[…]

Die Propaganda hier ist so massiv, dass ich Freundschaften verliere. Wegen meiner russlandfreundlichen Position wenden sich Menschen ab. Es wurde absichtlich eine Pogromstimmung gezüchtet, die jede Form anderer Meinung diskriminiert. Wir können gar nicht mehr miteinander sprechen. Wir können uns nur wechselseitig unserer Konformität versichern. Falls das nicht möglich ist, folgt unmittelbar der Kontaktabbruch.
Gegenüber Russland werden medial primitivste Rassismen vorgetragen, die man sich sonst verbietet. Es ist kein Argument zu blöd, um nicht noch gegen Russland ins Feld geführt zu werden.

[…]

Es ist an uns, Mittel und Wege zu finden, das zu durchbrechen. Das, was die Bundesregierung mit TTIP und ihren Kriegen gegen den Terror, mit Überwachung und Einschränkung von Freiheiten plant, ist nicht in unserem Interesse. Das was Russland mit BRICS und den alternativen Institutionen zu Weltbank und IWF tut, mit Russlands an Frieden ausgerichteten Politik sowie der Absicht, der UNO und dem Sicherheitsrat nach seiner Beschädigung durch westliche Politik wieder Leben einzuhauchen, das ist sehr wohl in unserem Interesse. Wir müssen das wenigstens zur Kenntnis nehmen und diskutieren, bevor wir es eventuell zurückweisen.“

Zu den Sanktionen gegen Russland und der Situation dort für die Bevölkerung gab es dieser Tage übrigens auch noch einen interessanten Artikel von Gilbert Doctorow: „Much to Washington’s Disappointment, Russians Are Still Not Starving. Even in the current period of stagnant economy or mild recession, the Russian consumer is not being asked to make great sacrifices“.

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