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Die Medien lügen niemals nie

Dass die Medien lügen, war früher nicht nur beim gemeinen Volk als Standardfloskel weit verbreitet, auch die Wissenschaft wusste davon zu künden. Heutzutage ersetzt Propaganda in vielen gesellschaftlich-politischen Themenfeldern den Verstand. Die Medien haben zeitgleich aufgehört zu lügen. Sagen die Medien jedenfalls. Wers nicht glaubt, ist ein Nazi. Oder geisteskrank. Sagen die Medien. Und Medienpropaganda gibts natürlich auch nicht, sagen die Medien. Natürlich hat die Presse in Wirklichkeit nie aufgehört zu lügen und maßt sich mittlerweile sogar an, komplette alternative Realitäten zu erfinden, welche die Bevölkerung zu glauben hat. Jens Wernicke hat mit „Lügen die Medien?“ ein Buch herausgebracht, in dem sich in über zwanzig Einzelbeiträgen zahlreiche kompetente Wissenschaftler, Journalisten und Kritiker aus der Zivilgesellschaft passend zu der titelgebenden Frage äußern.

Auf dem Klappentext des Medienkritikbuches von Wernicke prangen zwei prägnante Zitate. Eines davon von Professor Noam Chomsky, eines von Professor Rainer Mausfeld. Beide bekannten Wissenschaftler sind mit Beiträgen im Buch vertreten. Chomsky: „Die Massenmedien im eigentlichen Sinn haben im Wesentlichen die Funktion, die Leute von Wichtigerem fernzuhalten. Sollen die Leute sich mit etwas anderem beschäftigen, Hauptsache, sie stören uns nicht – wobei ‚wir‘ die Leute sind, die das Heft in der Hand halten. Wenn sie sich zum Beispiel für den Profisport interessieren, ist das ganz in Ordnung. Wenn jedermann Sport oder Sexskandale oder die Prominenten und ihre Probleme unglaublich wichtig findet, ist das okay. Es ist egal, wofür die Leute sich interessieren, solange es nichts Wichtiges ist. Die wichtigen Angelegenheiten bleiben den großen Tieren vorbehalten: ‚Wir‘ kümmern uns darum.“. Mausfeld: „Gegenwärtig haben die Leitmedien in ihrer Bereitschaft und Willfährigkeit, das Weltbild transatlantischer neoliberaler Eliten zu vermitteln, ganz offensichtlich jedes Maß verloren. Das hat zur Folge, dass die Medien Fakten, die nicht in ihr Weltbild passen, immer hemmungsloser verschweigen oder verzerren. So erschaffen sie medial eine gesellschaftliche und soziale Realität, in der die wichtigsten Fragen gar nicht erst vorkommen und die tatsächlichen Konflikte vernebelt oder verschleiert werden.“.

Das Werk „Lügen die Medien“ ist in drei Großkapitel unterteilt: Eines mit Beiträgen von „Machern“ (Journalisten), eines mit Artikeln von „Denkern“ (Wissenschaftlern) und eines mit Beiträgen der „Zivilgesellschaft“ (Initiativen). Einleitend bringt Wernicke Daten und Fakten zum Vertrauensverlust in die Medien und einige klassische Gedanken zur Medien-Propaganda-Problematik. Dann kommen in Interviews die Journalisten Walter van Rossum, David Goeßmann, Ulrich Teusch, Volker Bräutigam, Ulrich Tilgner, Stephan Hebel, Werner Rügemer und Eckart Spoo zu Wort und zeichnen ein differenziertes Bild, wie das zu Stande kommt, was letztlich als Verdrehung oder Unwahrheit beim Medienkonsumenten landet (Oder wie das Verschweigen bewerkstelligt wird). Es gibt viele Möglichkeiten der Manipulation und oft geschieht diese nicht durch eine bewusste Lüge, manchmal aber schon. Die journalistischen Insider erzählen viele spannende und informative Episoden aus dem Medienalltag und zu den Vorgängen im Mediengeschäft und äußern sich dazu, wie es bewerkstelligt wird, dass „das Richtige“, also das von den Machteliten gewünschte, beim Leser und Zuschauer ankommt. Hier gibt es eine ganze Reihe spannender, neuer Informationen. Schöne Fallbeispiele, die man im Gespräch aus dem Hut zaubern kann.

Kapitel Nummer Zwei des 340-seitigen Medienbuches gehört den Wissenschaftlern. Den Anfang macht hier der international bekannte Altmeister Noam Chomsky, welcher unter dem Titel „Der Mythos der freien Presse“ die solche auseinandernimmt. Der auf einem Vortag Chomskys basierende Text holt historisch angenehm weit bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts aus und ist so etwas wie eine Pflicht-Grundeinführung in das Thema „Medien und Propaganda und wie kommt das überhaupt zu Stande?“. Dem folgt ein Interview mit Uwe Krüger mit (ganz wenigen) merkwürdigen Aussagen zum Ukraine-Konflikt, die wiederum zeigen, dass niemand so ganz vor Propaganda gefeit ist. Weiter gehts mit einem Interview mit Rainer Mausfeld zu den massenmedialen Psychotechniken des Neoliberalismus („Wir schwimmen in der herrschenden Ideologie wie Fische im Wasser und bemerken sie daher gar nicht mehr.“). Bevor mit Jörg Becker ein weiterer Professor – Politikwissenschaftler und Propagandaforscher – mit einem Interview an der Reihe ist, leistet die „Forschungsgruppe zu Propaganda in Schweizer Medien“ einen wissenschaftlichen Beitrag und zeigt, wie das gewünschte Narrativ in die Medien kommt. Becker analysiert den Informationskreislauf zwischen PR-Agenturen, Massenmedien, Think tanks, NGOs, Regierungen und Militär. Michael Walter spricht in einem Interview über die symbolische Dekonstruktion des Sozialstaates als elitäres PR-Projekt, während Erich Schmidt-Eenboom im folgenden Interview die Zusammenarbeit Geheimdienste (vor allem BND, Bundesnachrichtendienst) und Medien ins Visier nimmt. Im nächsten Interview mit dem Psychologen Klaus-Jürgen Bruder geht es um den „Krieg um die Köpfe“ und in dem Zusammenhang auch um durch die Medien transportierten Nationalismus und Militarismus. Kriegerischen Themen widmen sich auch die anschließenden Interviews mit Kurt Gritsch (zur Propaganda im Kosovo-Krieg) und Daniele Ganser, der im Gespräch mit Wernicke die Keule „Verschwörungstheoretiker“ aufgreift.

Im dritten Teil des Medienkompendiums „Lügen die Medien?“ kommen engagierte Medienkritiker zu Wort, die in zivilgesellschaftlichen Initiativen die Presse kritisch hinterfragen. So stellt sich Maren Müller von der Ständigen Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien einem Wernicke-Interview und berichtet über Manipulationen und Kampagnen in den Öffentlich-Rechtlichen wie auch die Programmbeschwerden dagegen. Weiter geht es mit einem Interview mit Hektor Haarkötter von der Initiative Nachrichtenaufklärung, die jedes Jahr die Top Ten der in deutschen Medien sträflich vernachlässigten Nachrichten veröffentlicht. Im nächsten Interview mit dem interessante Titel „Mit Fakten lügen“ (das kann man nämlich ganz hervorragend) kommt Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung zu Wort, gefolgt von Gert Hautsch („Quartalsberichte zur deutschen Medienwirtschaft“), der meint, die Behauptung, dass die Medien lügen, sei nur dumpfe Hetze. Was Hautsch wohl zum Fall Bana Alabed sagt? Rainer Butenschön (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft) stellt im nächsten Interview klar, dass von innerer Pressefreiheit in den Medienkonzernen keine Rede sein kann und. Markus Fielder (Dokumentarfilm „Die dunkle Seite der Wikipedia“) befindet zurecht: „Eine Zensur findet statt“. Ein Interview mit Bestsellerautorin Daniela Dahn zur Freiheit der Kritik an der Presse rundet das dritte Kapitel ab.

Im Resümee am Ende des Buches weist Jens Wernicke dann auch noch einmal auf den in vielen öffentlichen Diskussionen zur Medienaufrichtigkeit nicht vorkommenden (rechtlich geltenden) Tendenzschutz hin – Wem das Medium gehört, der bestimmt die politische Richtung (Meiner Meinung nach wirken die heutigen politischen Journalisten allerdings nicht so, dass sie da in Konflikte kämen. Es zwingt diese auch niemand, ständig beispielsweise privat bei Twitter „proaktiv“ zu provozieren, Lügen zu verbreiten, Medienkritiker als Putintrolle zu beschimpfen und dergleichen.) – und äußert sich natürlich auf mehreren Seiten differenziert zu der Grundfrage des Buches: „Lügen die Medien?“.

Abschließend läßt sich zu dem neuen Medienkritikwerk „Lügen die Medien?“ sagen: Die achtzehn Euro für das Buch sind gut angelegt. Wer sich für Medien, Medienkritik, Elitekritik, Regierungskritik, Propaganda, Krieg und ähnliche Themen interessiert, sollte das Werk im Bücherschrank stehen haben. Und gerade für Journalisten sollte es ein (lehrreiches) Standardwerk sein, das zum Hinterfrage anregt. Durch die Vielzahl von Autoren beziehungsweise Interviewten und die von diesen wiederum abgedeckte thematische Bandbreite entsteht ein umfassendes Bild zu den Manipulationen und Ungereimtheiten der heutigen Medienlandschaft und dazu, wie diese zu Stande kommen. Dabei gehen die beteiligten Akteure sehr überwiegend ausgesprochen höflich und sachlich mit den Medien um – was im teilweise krassen Gegensatz zu den Ausfällen vieler Medienschaffender – „Qualitätsjournalisten“ und co – gegenüber Medienkritikern steht. Letztere werden bekanntlich zum Teil massiv verleumdet und mit Schmutz beworfen. Alleine das sollte schon zu denken geben. Die zahlreichen von unserer westlichen Medienpropaganda verursachten Todesopfer in anderen Ländern können das Buch übrigens leider nicht mehr lesen.

Das Buch „Lügen die Medien?: Propaganda, Rudeljournalismus und der Kampf um die öffentliche Meinung.“ ist als Taschenbuch seit dem 1. September 2017 im Buchhandel erhältlich.

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6 Kommentare

  1. Ohne Zweifel rechts

    Mir fällt dabei ein Jakob Augstein mit seiner Kolumne „im Zweifel links“ bei „SPON“ ein. Und wenn es um seinen Einfluss, seinen Reichtum oder gar um seinen Ferrari geht, ist er ohne Zweifel rechts! Seine „Kolumne“ ist eine der am härtesten zensierten bei „SPON“ überhaupt! Andere Meinungen werden bei ihm selten geduldet, wer ihn anzweifelt wird automatisch entfernt. Auch eine Methode rechter „Journalisten“ sich mit einem angeblich linken Image zu umgeben. Man muss sich nur seine Sendungen bei Phoenix mit seinem Kumpel Blome (BILD) anschauen – der „Streit“ als dümmliches Vorspielen einer Differenz zwischen den beiden, obwohl sie in vielen Dingen einer Meinung sind!
    Der Rechtsruck unserer MSM sowie der ÖR ist nicht zu leugnen, staatstragend für das Merkel-Regime und gegen alles was nicht in Merkels Konzept passt. Lügen und Verschweigen wird dort zum Tagesgeschäft.

  2. “ Deutsche gehen zur Wahl – Putins Hacker bleiben fern

    Exklusiv Die von vielen befürchteten Manipulationsversuche durch Russland gab es doch nicht. Um 18 Uhr beginnt im Cyber-Abwehrzentrum eine letzte Phase der Anspannung. Von Georg Mascolo “ SZ von heute

    Wieder eine glatte Lüge! Russland und gerade Putin haben kein Interesse an einer „Wahlbeeinflussung“! Hatten sie nicht in den USA, haben sie nicht in der BRD! „Putins Hacker“ sind ein echtes Phantasieprodukt deutscher Medien. Wie inzwischen bekannt sind es eher die US-Dienste und die US-Firmen, die hier gerne den Wahlkampf zu Gunsten Merkels antreiben wollen. Und die SZ macht immer gerne mit!

  3. „Auf Facebook und Twitter verarbeiten wir die Wahl mit einer Selbstgesprächstherapie.“ aus der taz von heute

    Da frage ich mich, warum die selbsternannten „Journalisten“ der taz ihren Austausch nicht gleich auf einer Seite des NSA machen? Und eine „Selbstgesprächstherapie“ wird wohl nicht aus den Klauen der US-Dienste befreien!

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